Die schöne Parfümhändlerin
schlief. Was war, wenn er ihre Geheimkammer entdeckte?
Doch sie hatte sich die Gefahr selbst ins Haus, ja sogar in ihr Bett geholt. War es vielleicht nur eine Frage der Zeit, bis sich alles unter ihren Füßen auflöste und sie im Abgrund verschwand? Und wenn? War es ihr vielleicht sogar gleichgültig? Hatte sie nicht schon bei der ersten Begegnung mit Marcos gewusst, dass er Gefahr bedeutete? Hatte sie nicht geahnt, dass ihn zu lieben ihr ganzes Leben verändern und alles, was sie sich so mühevoll aufgebaut hatte, zerstören würde? Sie hatte es gewusst. Doch sein Zauber war zu mächtig. Sie hatte ins Feuer gelangt, wissend, dass es sie verbrennen würde.
Ihr Blick ging über seinen Körper. Nackt und stark lag er in den weißen Laken. Mit Wonne erinnerte sie sich an das Gefühl, wie seine Hände über ihren Körper strichen, an seinen feurigen Kuss, wie sie zueinander gefunden und sich so köstlich ergänzt hatten. „ Querida, mein Leben“, hatte er ihr ins Ohr geflüstert. Oh ja, das war es wert.
Julietta hatte schon vor Langem erkannt, dass der Mensch selbst für seine Taten und Sünden verantwortlich war und so auch die Folgen für sein Handeln tragen musste. Mit dem Verlassen Mailands hatte sie ihren Weg gewählt. Damals hatte sie beschlossen, den Ratschlägen ihrer Mutter, so gut sie konnte, zu folgen. Dafür, dass sie Marcos zu sich ins Bett genommen hatte, musste sie zahlen. Das wusste sie.
Aber würde sie auch stark genug sein, wenn der Tag der Abrechnung kam? Auch das war ihr im Augenblick erschreckend gleichgültig. Sie wollte nur diesen Moment genießen. Versonnen beugte sie sich über Marcos, der zufrieden und glücklich dalag. Mit einer Fingerspitze zog sie kleine Kreise auf seiner breiten Brust. Zischend sog Marcos den Atem zwischen den Zähnen ein.
„Seid Ihr wach?“, wisperte sie. Wie ein seidener Schleier hüllte ihr offenes Haar sie beide ein, als sie ihren Kopf hinunterbeugte, um seine Brust nun mit Küssen zu bedecken. Marcos bebte unter ihren Liebkosungen.
„Jetzt bin ich es“, grollte er, griff in ihr Haar und zog sie näher.
Julietta lachte und kratzte leicht mit den Zähnen über seine Brust. Zärtlich glitten ihre Lippen über seinen Bauch bis hinunter zu seinem Schoß. Ihre vielen kleinen Küsse beantwortete Marcos mit seligem Stöhnen. „Bis zum Morgengrauen sind es noch ein paar Stunden. Wie sollen wir sie wohl verbringen?“, raunte sie schelmisch, während sie ihre Hand um seine Männlichkeit legte.
Marcos’ Hände verkrampften sich in ihrem Haar. „Ich könnte mir so einiges vorstellen.“
„Das dachte ich mir“, wisperte sie und küsste seine empfindsamste Stelle.
Sie fühlte sich wie im Paradies auf Erden. Sie waren einander so nahe, wie zwei Menschen es nur sein konnten. Das reichte ihr. Für den Augenblick jedenfalls.
13. KAPITEL
Die große Vorhalle im Dogenpalast war voller Menschen, und dennoch herrschte eine seltsame, fast unheimliche Stille. Die Personen, die dort versammelt waren, standen nicht schwatzend in kleinen Gruppen beisammen, wie es ansonsten bei ähnlichen Anlässen in Venedig üblich war. Mit verschlossener Miene, die Hände wie im Gebet fest gefaltet, standen die Wartenden jeder für sich vor den Wänden mit den Freskomalereien. Es herrschte bedrücktes Schweigen. Gelegentlich bewegte jemand lautlos die Lippen, als übte er still seine Petition ein. Nur das Rascheln feinen Tuchs, das Schlurfen von Schuhwerk auf dem Parkettboden, das Knistern von Pergament, das geoder entfaltet wurde, waren zu hören.
Marcos stand neben der Statue einer klassischen, mit wallendem Gewand und Weinlaub drapierten Göttin und beobachtete die Menge der Bittsteller. Obwohl er vom Dogen persönlich vorgeladen war und keine Petition einreichen wollte, musste er dennoch geduldig warten. Und in dieser Halle, der Vorhölle der Macht, verging die Zeit langsamer als anderswo, bedrückend langsam.
Es gab keinerlei Möbel in diesem Saal. Lediglich kunstvoll gestaltete Szenen aus dem Jüngsten Gericht schmückten die Wände. Es waren bunte Bilder von Himmel und Hölle mit friedvoll dreinblickenden Heiligen, zornigen Engeln, Feuer speienden, rotleibigen Dämonen und dazwischen die gequälten Körper der verdammten Seelen. Es schien, als wolle die Kunst ausdrücken, welches Glück den Bittsteller erwartete, wenn sein Gesuch positiv beschieden wurde, und welche Verdammnis ihm bei Ablehnung drohte.
Marcos drehte dem Bild des Grauens den Rücken zu und widmete sich lieber der
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