Die schöne Parfümhändlerin
Darstellung, in der die Stadt Venedig, verkörpert von Venetia mit wallendem Goldhaar in weißem Seidengewand und gekrönt mit Gold und Edelsteinen, vom Heiligen Markus gesegnet wurde – ein Bildnis, das weitaus angenehmer für das Auge war.
Er hatte keine Ahnung, weshalb er hier warten musste. Weshalb man ihn am Morgen aus dem Halbschlaf gerissen und ihm ein versiegeltes Pergament zugestellt hatte. Wie sich herausstellte, eine Order, sich unverzüglich im Dogenpalast einzufinden. Nur ein paar Stunden zuvor, kurz vor Sonnenaufgang, war er durch Venedigs Gassen zu seiner Schlafstätte geeilt, nachdem er sich nur zögernd von Juliettas warmem Bett erhoben hatte. Lächelnd erinnerte er sich nun an die große, schlanke Gestalt mit dem offenen langen Haar in den zerwühlten Kissen. Nie würde er vergessen, wie sie ihn angeschaut hatte, ihren schläfrigen Blick, als er sie das letzte Mal geküsst und sie ihn das letzte Mal in den Armen gehalten hatte.
„Bleibt noch, so bald geht die Sonne nicht auf“, hatte sie geflüstert.
Beim Heiligen Markus, die Versuchung war groß gewesen. Der Reiz, sie leidenschaftlich zu küssen, sich abermals in ihren Armen zu verlieren, bis der Verstand aussetzte, war verlockend gewesen. Selbst jetzt, an diesem einschüchternden Ort, glaubte er noch den Duft ihrer Haare zu riechen, ihr leises Lachen zu hören …
Marcos schüttelte unwillig den Kopf. Der Dogenpalast war eine riesige, prunkvolle Schlangengrube. In der rauen Wirklichkeit des neuen Tages hatten Erinnerungen an die letzte Nacht, an die leidenschaftliche Liebesnacht mit Julietta Bassano, keinen Platz.
Er löste den Blick von der Venetia im weißen Seidengewand, versuchte, für den Augenblick die Erinnerung an die hüllenlose Julietta zu vergessen, und musterte die übrigen Wartenden. In der riesigen Halle befand sich nur eine Sitzgelegenheit, ein hölzerner Sessel mit Samtkissen und hoher geschnitzter Rückenlehne. Die Dame, die dort saß, verhielt sich anders als die übrigen Bittsteller. Sie zeigten entweder offen ihre Anspannung oder verbargen ihre Aufregung hinter Hochmut und Stolz. Diese Dame jedoch sah … ja, sie sah wütend aus.
Einst musste sie eine Schönheit gewesen sein. Doch nun hatte das ovale Gesicht Hängebacken, und eine dicke weiße Puderschicht verbarg kaum die tiefen Linien um Augen und Nase. Die ganze Gestalt war in glanzlosen schwarzen Satin gehüllt, und ein bodenlanger schwarzer Schleier bedeckte das weiße Haar. Als einzigen Schmuck trug sie ein großes Amethystkreuz. Doch dessen stumpfer Glanz war kümmerlich gegen das lodernde Feuer, das in den Augen dieser Frau brannte. Hasserfüllt funkelten sie in dem schneeweiß gepuderten Gesicht, böse beobachteten sie ihre Umgebung.
Bis sie Marcos erreichten … und argwöhnisch verweilten. Höflich verbeugte er sich. Knarrend erhob sich die Dame von ihrem Sessel und ging auf Marcos zu, zügig und entschlossen, mit wehendem Gewand – wie ein Schiff unter vollen Segeln. „Ich bin Signora Landucci. Kennen wir uns, junger Mann?“, sprach sie ihn an.
Marcos fühlte sich wie ein Hirsch, den ein ausgehungerter Löwe ins Visier genommen hatte. Wieder Hirsch hatte auch er keine Möglichkeit zu entkommen. Er saß in der Falle seiner eigenen vermaledeiten Neugier. Wer war diese Frau? Was wollte sie von ihm?
Zum Glück öffnete sich in diesem Moment die schwere, hohe Flügeltür am anderen Ende der Halle. Ein Diener in der weißgoldenen Livree des Dogen trat vor und rief: „Signor Marcos Antonio Velazquez, Seine Exzellenz, der Doge, gewährt Euch jetzt eine Audienz.“
„Pardon, Signora“, murmelte Marcos.
Doch als Marcos an der fülligen, dunklen Gestalt vorbeiging, fasste sie ihn am Ärmel. Fest wie ein Schraubstock umklammerte die fette weiße Hand seinen grünen Samtärmel. „Hütet Euch vor der Parfümhändlerin“, zischte sie. „Sie tötete meinen Sohn Micheletto. Ich werde es beweisen.“
Marcos nickte nur. Äußerlich unbewegt, aber mit klopfendem Herzen schritt er zur Flügeltür.
Hütet Euch vor der Parfümhändlerin. Welches Ungemach schwebte über seiner Geliebten? Er hatte geahnt, dass sie ein Geheimnis in ihrem Herzen bewahrte, das er nicht ergründen konnte. Doch es lag an ihr, ihre Geheimnisse zu offenbaren oder zu hüten. Es sei denn, sie verwickelte auch ihn in ihre dunklen Machenschaften und ihr duftender Sumpf zöge sie beide ins Unglück.
Der Diener geleitete Marcos die breite Treppe hinauf, vorbei an Bediensteten, die eilends ihren
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