Die schöne Parfümhändlerin
Schiff bedrohte. Mit Worten konnte er sie nicht verteidigen. Er war kein Höfling wie Conte Grattiano, der jede Strömung der allgemeinen Stimmung zu seinem eigenen Vorteil nutzen konnte. Marcos war ein Krieger, sein Metier waren das Schwert und die Kanonen. Nur, mit den Kanonen seines Schiffes konnte er die Gerüchte nicht verjagen.
Julietta, Julietta, was habt Ihr nur getan?, grübelte er, während ihm der Diener Umhang und Dolch zurückreichte. Kurz dachte Marcos daran, Julietta heimlich auf sein Schiff zu bringen, fort von diesem Ort zu einem Platz, zu einem Land, in dem sie sicher wäre – sie beide sicher wären. Doch ein solches Land gab es nicht, nirgendwo waren sie sicher voreinander.
Auf der Piazza vor dem Palast herrschte geschäftiges Treiben. Kaufleute, Bankiers und Bettler gingen ihren täglichen Geschäften nach. Hoch über dem Portal entdeckte er den steinernen, geflügelten Löwen, das Wappentier Venedigs und Symbol seines Schutzpatrons, des Evangelisten Markus. Auf dem aufgeschlagenen Buch, auf dem eine mächtige Pranke des Löwen lag, las Marcos den Leitsatz Venedigs eingemeißelt: „Friede sei mit dir, Markus, mein Evangelist.“ Marcos Antonio Velazquez hingegen wusste nur allzu genau, dass er so schnell keinen Frieden finden würde.
Während ihn seine Schritte wie von selbst zu Juliettas Laden lenkten, hörte er hinter sich eine Stimme. „Signor Velazquez“, rief Conte Grattiano hinter ihm her.
Marcos blickte über die Schulter zurück. Ermano verließ gerade den Palast. Die Smaragde an der Borte seiner schwarzen Robe funkelten in der Sonne. Irgendwie musste der Conte es geschafft haben, aus dem fensterlosen Audienzraum und vor der Signora Landucci zu flüchten. „Conte Grattiano“, sagte Marcos und blieb stehen.
„Es tut mir leid, dass Euer Tagesablauf wegen einer solchen Angelegenheit gestört wurde“, entschuldigte Ermano sich. „Wir wissen beide, dass die Signora alsbald von allen Anschuldigungen entlastet sein wird, insbesondere wenn sie Eure Hilfe hat.“
„Bestimmt“, erwiderte Marcos ruhig.
Ermano zog ihn zur Seite in den Schatten des Portals, wo sie abseits der lärmenden Menge standen. „Wie steht es um mein eigenes Anliegen bezüglich der Dame? Glaubt Ihr, dass mir bald Erfolg beschert sein wird?“
Nachdenklich musterte Marcos den Mann, der da im Halbschatten neben ihm stand. Ermano war nicht leicht zu durchschauen. Er war geübt darin, seine wahren Gefühle hinter betörendem Lächeln und kalten grünen Blicken zu verbergen. Doch jetzt verriet er sich. Die Art, wie er nach Marcos’ Arm greifen wollte, offenbarte seine Ungeduld. Indem er die Hand hob, wehrte Marcos die Berührung ab. Sein Rubinring funkelte in der Sonne. „Eine schwierige Frage. Signora Bassano gehört nicht zu den Frauen, die ihre Gefühle auf der Zunge tragen.“
„In der Tat. Sie ist voller verlockender Geheimnisse. Aber Euch mag sie doch … Ihr seid schließlich Il leone! Und wenn Ihr der Signora in dieser äußerst misslichen Angelegenheit zur Seite steht, dann wird sie erst recht Eurem Rat folgen. Letztendlich ist auch sie nur eine Frau – angewiesen auf die Klugheit eines Mannes.“ Ermano blickte in die Ferne und leckte sich die Lippen – als freue er sich auf ein köstliches Mahl. „Ihre Ländereien werden vor dem nächsten Sommer bestimmt die meinen sein.“
Angewidert trat Marcos einen Schritt zurück. „Vielleicht wird sie um viel mehr fürchten müssen als nur um ihre Ländereien – nämlich um ihren Hals.“
„Nein, nein“, wehrte Ermano ab. „Fahrt nur so fort wie bisher. Freundet Euch mit ihr an. Bislang war niemand, den ich zu ihr schickte, erfolgreich. Nun, ich muss zurück zum Dogen. Wir werden unser Gespräch in Kürze fortsetzen.“
Der Conte eilte davon, und Marcos wandte dem Palast den Rücken zu. Vor ihm, am Markusdom, glänzten die Gold- und Bronzeverzierungen in der fahlen Wintersonne. Die Piazza war voller Menschen, es wurde gelacht und gestritten, der Platz war voller Leben. Ein unglaublich schönes Bild – und doch sah er plötzlich auch all die verhängnisvolle Verderbtheit, die jeden Menschen plagte. Er sehnte sich nach der Klarheit und Reinheit des Meeres, wo die Gefahren groß, aber deutlich zu erkennen waren, wo die Elemente und selbst die Piraten mit ehrlichen Mitteln bekämpft werden konnten.
Viel zu lange war er schon an Land. Das musste er beenden.
Marcos kehrte der Menge den Rücken. Langsam ging er durch die Gassen in Richtung von
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