Die schöne Parfümhändlerin
Tagen ausgezeichnet Wache gehalten. Deshalb wäre es ungerecht, wenn Ihr ganz auf die Freuden des Karnevals verzichten solltet.“
Der schwarzbärtige Mendoza, Marcos’ stellvertretender Kommandeur, wie Julietta vermutete, zeigte grinsend seine zwei goldenen Schneidezähne. „In der Tat, Capitán, haben wir hier draußen in der Lagune die Gesellschaft schöner Frauen und einen guten Wein vermisst. Aber wir würden noch viel mehr erdulden, um dem Velazquez dienen zu dürfen. Das wisst Ihr doch.“
Marcos nickte ernst. „Das weiß ich, und ich bin euch auch zutiefst dankbar. Es dauert nicht mehr lange, dann werdet ihr alle belohnt.“
Während die Boote unter lauten Rufen und Scherzen zu Wasser gelassen wurden, damit der größte Teil der Mannschaft zum Feiern an Land gehen konnte, führte Marcos Julietta über das polierte Deck. Es war nicht sehr geräumig, aber alles war so durchdacht angeordnet, dass nicht ein Fleckchen Platz vergeudet war. Julietta verfolgte, wie Marcos fast liebevoll mit der Hand über die mit Intarsien verzierte Reling strich, wie sein prüfender Blick über die Masten und Taue wanderte, und sie wusste, dies hier, das war sein wahres Heim. Hierher, auf das Deck seines Schiffes, gehörte er. Das war sein Schicksal.
So wie ihr Schicksal inmitten der geheimnisvollen Stadt Venedig lag.
„Euer Schiff ist wunderschön“, sagte sie leise.
Er lächelte, und für einen Moment strahlten seine Augen. Stolz und Freude sah sie aus ihnen sprühen. „Die Elena Ma ria war ein Geschenk meines Vaters. Vierzig Meter Kiellänge, zweiunddreißig Kanonen. Sie ist ein stolzes Schiff und hat mir immer gut gedient.“
„Damit habt Ihr die Piraten besiegt?“
Marcos nickte. „Ihrer Waffenkraft waren wir unterlegen, aber ihre Karacke lag schwer im Wasser, nachdem sie kurz zuvor eine englische Galeone geentert und deren Ladung übernommen hatten. Außerdem hatten sie uns wohl nicht gesehen, denn es war ein nebliger Tag. Wir gingen so nah wie möglich an ihre Geschützpforte und eröffneten das Feuer, bevor sie sich von ihrer Freudenfeier aufraffen und mit ihren eigenen Kanonen antworten konnten.“ Er lehnte sich über die Reling und zeigte auf eine lange, aber sauber geflickte Scharte am Schiffsrumpf. „Dennoch haben sie die Elena Maria verwundet.“
„Aber jetzt scheint sie wieder geheilt zu sein.“
„Richtig. Während ich maskiert in Venedig herumgelaufen bin, haben die Männer harte Arbeit geleistet und sie wiederhergerichtet. Es gibt wohl keinen Kapitän, der mehr Glück mit seiner Mannschaft hat als ich.“
Julietta hielt sich an der blank polierten Reling fest und betrachtete nachdenklich die ausgebesserte Stelle in der Bordwand. Sie versuchte, sich das Donnern der Kanonen vorzustellen, die höllisch heißen Flammen, den beißenden Rauch, dazu Schreie, Blut und die vielen Menschen, die über das glatte Deck rutschten. „Gab es Verwundete?“
„Nein, Gott sei Dank nicht.“
„Aber es wäre möglich gewesen.“ Marcos hätte es treffen können. Der Gedanke, seine blauen Augen könnten glasig ins Leere starren, Blut aus seiner Brust spritzen, während er auf seinem zerstörten, über alles geliebten Schiff lag, ließ sie erschaudern.
War es nur ihre Furcht oder doch eine Vorahnung? Das verdammte Erbe ihrer Mutter?
„Vielleicht.“ Marcos legte den Arm um ihre Taille. Sie spürte seinen Kuss auf ihrem Haar und schloss die Augen. Sie zwang sich, die Horrorbilder von Blut und Tod zu verscheuchen und sich ganz dem Augenblick hinzugeben. „Natürlich ist dies ein Handelsschiff, aber wir sind auch Seeleute. Wir müssen immer bereit sein, allen Gefahren ins Auge zu sehen. Glaubt mir, Julietta, mein Vater war mir ein guter Lehrmeister. Ich weiß mich in jeder Situation zu schützen – und jene, die sich mir anvertrauen.“ Er küsste sie auf die Schläfe. „Kommt mit mir.“
Er nahm sie bei der Hand und ging mit Julietta zu einer Treppe, die zu einem schmalen Gang führte, der bei einer solide gebauten Tür endete. Neben der salzigen Seeluft roch es hier unten streng nach Pech und Holz. Marcos drückte die Tür auf und entzündete eine Reihe Kerzen.
Im Schein der vielen Lichter erkannte Julietta, dass sie sich in einer kleinen, schmalen Kabine befanden. So hatte sie sich allerdings eine Schiffskabine nie vorgestellt. Es gab keine Hängematte, kein schmutziges Bilgenwasser bedeckte den Boden. Stattdessen befand sich an einer Wand eine breite Schlafkoje mit einer schwarzen Samtdecke und
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