Die schöne Parfümhändlerin
wagen, ihm auch ihr Herz zu öffnen? Durfte sie die Maske fallen lassen? Ein wenig vielleicht.
„Was macht ihn Euch zum Feind?“
Julietta zuckte mit den Schultern. „Ihr wisst, er wollte diese Ländereien kaufen. Letztes Jahr machte er mir ein Angebot. Es war kein schlechter Preis. Aber ich will nicht verkaufen. Es ist ein schönes Plätzchen, wohin ich mich manchmal gerne zurückziehe. Ich habe abgelehnt und dachte, damit sei es getan. Aber er ließ nicht locker, er kam immer wieder.“
Marcos beugte sich zu ihr herüber. Fast ärgerlich klimperten die Glöckchen an seinem Komödiantenwams. „Er kam immer wieder, wegen dieses Stückchen Lands?“
Nicolai beobachtete die beiden, aber er schwieg.
„Ich weiß, es ist nicht viel. Land und Gutshaus sind ungepflegt, weil ich mich nicht genügend gekümmert habe. Aber mit einem guten Verwalter könnte alles recht einträglich sein. Die Venezianer schätzen ihre Ländereien auf dem Festland“, erklärte Julietta. „Natürlich ahnte ich, dass hinter seinem Angebot etwas anderes stand. Männer wie Ermano handeln nie ohne Hintergedanken. Aber bis vor wenigen Tagen war ich mir nicht sicher, was er wirklich wollte. Es war an dem Nachmittag, bevor ich Euch auf Euer Schiff gefolgt bin …“
„Er wollte Euch als seine Mätresse?“, fragte Marcos leise.
Julietta starrte ihn an. Seine Miene war nach wie vor so ungerührt wie das der vergoldeten Heiligen in der Kirche. Nur seine Augen glühten tiefblau. „Er wollte mich heiraten“, fuhr sie fort. „Es war keine Bitte mehr, es war fast ein Befehl. Und er reagierte äußerst ungehalten auf meine Weigerung.“ Sie schwieg einen Moment, um Fassung zu bewahren, denn am liebsten hätte sie laut geschrien. „Das ist also seine Antwort“, fuhr sie fort, nachdem sie sich wieder gefasst hatte. „Ich bin seinen Wünschen nicht nachgekommen, also muss ich vernichtet werden. Aber weshalb Ihr, Marcos, weshalb gab er Euch den Auftrag? Weshalb bezichtigt er mich nicht einfach der Hexerei, lässt mich einsperren und auf dem Scheiterhaufen brennen wie …“ Sie konnte es nicht aussprechen, sie konnte nicht einmal daran denken.
„Wie Eure Mutter?“, sagte Marcos leise.
Julietta schloss die Augen. „Ihr wisst es?“
„Ermano sagte es mir im Dogenpalast, als er mir den Auftrag gab.“
Julietta nickte traurig. Das Schicksal ihrer Mutter ließ sie nicht los. Immer noch hörte sie ihre eigenen Schreie, als man sie als kleines Kind aus den Armen der Mutter gerissen hatte. Später einmal wollte sie Marcos von jener schrecklichen Nacht berichten, von den zischenden, heißen Fackeln, den feixenden Gesichtern der Männer und von der unerschütterlichen Würde ihrer totenblassen Mutter. Später, aber nicht jetzt.
Nicolai brach die angespannte Stille. „Das wäre wohl nicht verschlagen genug gewesen für unseren illustren Conte. Ein sensationslüsterner Schauprozess, eine öffentliche Hexenverbrennung, viel Klatsch. Njet! Ich nehme an, er weiß von Eurer Liebe. Euch beide zu vernichten, das ist sein Weg. Das ist seine heimliche Rache.“
„Rache!“, knurrte Marcos, als ob dieser Begriff nicht Teil seiner Welt gewesen wäre, sondern eine ekelerregende Abartigkeit.
„Nicolai hat recht“, sagte Julietta. „Ermano hat seine Männer überall. Ich hätte es wissen müssen, hätte viel vorsichtiger sein sollen, aber …“ Die Stimme versagte ihr. Wie konnte sie von ihrem heißen Verlangen sprechen, von ihrer Erregung, wenn Marcos sie berührte. Von jenem Knistern zwischen ihr und Marcos, von der brennenden Liebe, die jegliche Vorsicht bedeutungslos und unmöglich machte.
„Wir hätten vorsichtiger sein müssen“, bestätigte Marcos. „Aber wir waren es nicht, und deshalb müssen wir jetzt einen Gegenangriff planen.“
Julietta beobachtete ihn, während sie unablässig mit den Fingerspitzen auf ihre Armlehne trommelte. So musste er geschaut haben, als er im Nebel das Piratenschiff auftauchen sah. Mit zusammengekniffenen Augen kühl die Stärke der feindlichen Kanonen mit den eigenen vergleichend. Ermanos „Kanonen“ waren gewaltig: die Unterstützung des Dogen, Macht und Reichtum.
Doch selbst mit dem Rückhalt von Geld und Macht war es gefährlich, ins Visier dieser kalten blauen Augen zu geraten, überlegte Julietta. Und außerdem besaß sie selbst auch einige Reichtümer. Sie wollte sich nicht kampflos geschlagen geben, noch war es zu früh, die Hoffnung aufzugeben. War sie nicht die Tochter ihrer Mutter? Die Enkelin
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