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Die schöne Parfümhändlerin

Die schöne Parfümhändlerin

Titel: Die schöne Parfümhändlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A MCCABE
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als einmal das Leben gerettet.“
    „Nicolai sagt das Gleiche von Euch.“
    „Stimmt.“
    „Warum?“
    „Tut man das nicht als Freund? Den Gefährten vom Feuer fortziehen, wenn Gefahr droht?“ Seine Stimme klang leicht belustigt.
    Tut man das nicht als Freund? Julietta spürte ein seltsames
    Herzklopfen. Hatte sie jemals einen Freund besessen? Mutter und Großmutter hatten sie geliebt – aber sie waren ihre Lehrer und Beschützer gewesen, nicht ihre Vertrauten. Bianca? Nein. Vor der türkischen Dienerin hatte sie zu viele Geheimnisse. Und Bianca erzählte gewiss auch nicht alles von sich.
    Julietta blickte zu Marcos, der sich zu ihr umgedreht hatte und sie schweigend ansah. Marcos war ihr Liebhaber. War er auch ihr Freund? Hatte auch er verborgene Absichten, die sich vielleicht eines Tages mit den ihren kreuzen und ihnen beiden Kummer bringen würden? Ihre Erfahrung sagte ihr, dass das jederzeit geschehen konnte. Freundschaft? Die hielt nicht immer. Doch Marcos war hier. Er war bereit, sie aus dem Feuer zu ziehen, obwohl er die Flucht hätte ergreifen können.
    „Nicolai will uns also helfen, auch wenn er seine eigenen Geheimnisse nicht preisgibt?“, flüsterte sie.
    „Es steht mir nicht an, Euch seine Geheimnisse zu erzählen. Da müsst Ihr ihn schon selbst fragen“, antwortete Marcos.
    Julietta legte den Kopf zur Seite und sah Marcos lange an. „Und Ihr, Marcos Antonio Velazquez? Welche Geheimnisse habt Ihr?“
    Ein dunkler Schatten fiel über sein Gesicht, und es dauerte eine Weile, bis Marcos antwortete. „Ich habe viele Geheimnisse, genau wie Ihr, querida. Welches wollt Ihr zuerst hören?“
    Julietta dachte an die Tarockkarten. Ihr müsst Euch von Eu ren Ängsten befreien, ohne Fesseln in die Zukunft gehen. Wollte sie wahrhaftig alles wissen? Nein! Oder vielleicht doch? „Wer seid Ihr? Was führte Euch nach Venedig? Doch sicher nicht nur die Jagd nach den Piraten?“
    Marcos lachte, es war ein harsches, freudloses Lachen. „Die Piraten erwiesen sich nur als ein glücklicher Zufall. Und wer ich wirklich bin? Nun ja, wie Ihr wisst, bin ich nicht als Marcos Antonio Velazquez geboren. Die ersten sechs Jahre meines Lebens hieß ich Renato Rinaldi. Ich bin der Sohn von Veronica Rinaldi … und Ermano Grattiano.“

20. KAPITEL
    Wie einen Geist starrte Julietta Marcos an. Hatte sie richtig gehört? Marcos war … „Ermanos Sohn?“, wisperte sie zu Tode erschrocken.
    Marcos nickte und sah sie stumm an. Julietta konnte in den klaren Gesichtszügen und wundervollen blauen Augen nichtsvon dem Conte erkennen. Äußerlich kam Marcos ganz nach seiner hübschen Mutter. Doch sein Wesen? Er besaß eine gewisse Rücksichtslosigkeit, die konnte er nur von seinem Vater haben.
    „Die Rückkehr an meinen Geburtsort habe ich lange geplant. Ich wollte meinen Vater finden.“
    Fragend sah Julietta ihn an. „Wieso denn? Ihr hattet in Spanien eine Familie, Eltern, die Euch liebten, ein gutes Auskommen.“
    „Oh ja, natürlich.“ In Marcos’ Augen war ein kalter Glanz.
    „Dann …“ Julietta schüttelte den Kopf. Allmählich begann sie zu verstehen. Wie der Himmel sich nach einem Gewitter klärte, so löste sich ihre Ratlosigkeit. Sie hätte es wissen oder zumindest vermuten müssen, als Marcos ihr von seiner Mutter erzählt hatte und wie sie im Hause Grattiano gestorben war. „Ihr seid gekommen, um an ihm Rache zu nehmen?“
    „Ja. Er hat meine Mutter ermordet.“
    Julietta schluckte. Ihr war, als hätte sie einen eisigen Klumpen in der Kehle. Sie sah die Szene vor ihrem geistigen Auge: ein prunkvoller Raum, ein kleiner Junge, der sich ängstlich duckte, das Blitzen einer Klinge – oder war es ein Schal, mit dem sie erwürgt wurde? –, der kurze, gellende Schrei einer Frau. Julietta wollte Marcos in den Arm nehmen, ihn die Wunden der Vergangenheit als auch die Gefahren der Gegenwart vergessen lassen. Doch ihre liebevolle Fürsorge schien er nicht zu wollen. Marcos’ Gesicht war so verschlossen, sein Körper steif vor Ablehnung. Ganz wie der einsame Krieger kam er ihr vor.
    „Und Ihr habt es gesehen?“, fragte sie schließlich leise.
    „Ja. Sie hatten den ganzen Abend gestritten. Worüber, weiß ich nicht. Vielleicht über einen Verehrer meiner Mutter. Ermano war sehr eifersüchtig, und er ist es immer noch, wie wir wissen. An diesem Abend war im Hause Grattiano ein Festessen, und wir sollten anschließend die Nacht dort verbringen. Mein Vater behielt meine Mutter gerne in seiner Nähe. Zu der Zeit war er

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