Die schöne Parfümhändlerin
an ihn sie nicht einholen konnte, an dem sie nicht an Lustschreie und verliebte Worte erinnert wurde.
Sie ging zum Tisch, auf den sie ihre alte, verschrammte Reisetruhe gestellt hatte. Sie öffnete die stumpfen Messingverschlüsse, hob den Deckel und blickte ins Innere der Truhe. Schalen, Mörser und Stößel, Flaschen und Löffel, die Kräuterpäckchen, alles lag ordentlich an seinem Platz und wartete nur darauf, seinen Zweck erfüllen zu dürfen.
Marcos mochte fortsegeln, aber nicht allein. Ihr Gift sollte er bei sich tragen. Ein Gift, das ihn beschützen sollte.
„Signora! Signora, seid Ihr da?“
Das Klopfen an der Tür riss Julietta aus ihren Träumen. Sie richtete sich auf. Den Kopf auf den verschränkten Armen, war sie am Tisch eingeschlafen. Stöhnend rieb sie sich die verkrampften Schultern und den schmerzenden Nacken, blickte auf das Durcheinander auf dem Tisch, das Buch, die verstreuten Werkzeuge und Zutaten. Draußen war es mittlerweile dunkler geworden, rosagraues Licht fiel durch die Fenster. Der Tag ging seinem Ende entgegen.
Hastig schloss sie das Buch, steckte es in die Reisetruhe und klappte den Verschluss zu. Es war nicht gut, wenn jemand das Werk sah und möglicherweise argwöhnte, was sie vorhatte. Der normale Beobachter, der einen Blick auf ihr seltsames Gepäck warf, würde sicher nur annehmen, sie mische ein neues Parfüm. Wenn er aber lesen konnte, dann …
„Signora!“ Es klopfte wieder. „Seid Ihr da?“
„Ja, ich komme.“ Julietta stand auf. Sie strich ihre Röcke glatt, während sie zur Tür ging.
Rosa, die Verwalterfrau, stand vor der Tür. Die Schürze war fleckig, graubraune Strähnen hatten sich aus dem Kopftuch gelöst. Blitzschnell gingen Rosas Blicke vorbei an Julietta durch den Raum, um zu sehen, was dort vor sich ging.
Julietta kreuzte die Arme vor der Brust und wich nicht von der Türschwelle. „Was ist los, Rosa?“
„Ihr habt Besuch.“
„Besuch?“, fragte Julietta überrascht. Die nächsten Nachbarn lebten eine lange Kutschfahrt entfernt, außerdem kannte sie die Leute kaum. Unwahrscheinlich, dass ihr aus Venedig jemand gefolgt war, außer … Nein! Doch nicht Ermano!
Plötzlich verspürte Julietta einen stechenden Schmerz und drückte die Fingerspitzen auf die Stelle an der Schläfe. Dieses Landgut wollte Ermano ihr unbedingt abkaufen. Das wahre Motiv dafür hatte er nie offenbart. Er war ihr gefolgt? Was war der Grund?
Nicht, dass Ermano überhaupt jemals einen Grund für sein Handeln brauchte.
„Wer ist der Besuch?“, fragte sie.
Rosa zuckte mit den Achseln. „Zwei Männer. Sehen aus wie Wanderschauspieler. Ich habe sie draußen warten lassen. Wenn Ihr wollt, kann Paolo sie fortschicken.“
Wanderschauspieler? Der einzige Schauspieler, den Julietta kannte, war Nicolai Ostrovsky, und der würde bestimmt nicht während des Karnevals über Land ziehen. Neugierig ging Julietta zum Fenster und blickte so, dass man sie von unten nicht sehen konnte, in den Hof. Ein gewundener Weg, mit Sand und Muschelkies befestigt, jetzt aber von allerlei Unkraut überwuchert, breit genug für Pferd und Kutsche, führte zum Haus. Zwei Pferde standen dort unten, das Fell schweißglänzend von einem langen Ritt im Galopp. Die Reiter in dunklen Kapuzenumhängen warteten auf der brüchigen Marmortreppe vor dem Haus. Im Zwielicht konnte Julietta zwar nicht erkennen, ob die zwei wirklich Komödianten waren, aber keiner von beiden erinnerte sie an Ermano.
Wer auch immer sie sein mochten, es war klar, dass sie nach einem langen Ritt auf keinen Fall wieder verschwinden würden, ohne ihr Anliegen vorgebracht zu haben.
Vielleicht wollen sie auch gar nicht zu mir, überlegte Julietta. Vielleicht waren es Reisende, die lediglich nach dem Weg fragen oder eine Mahlzeit haben wollten.
Sie schloss das Fenster. „Gut, Rosa. Ich gehe und frage, was sie wollen.“
Nachdem die Haushälterin sich entfernt hatte, nahm Julietta ihren Reiseumhang vom Haken. Aus der geheimen Innentasche zog sie den kurzen Dolch und steckte ihn in den Ärmel ihres Kleides. Die flache Waffe bot ihr Sicherheit – selbst hier in ihrer friedlichen Bleibe auf dem Land.
Rosa hatte die Haustür angelehnt. Durch den Spalt pfiff leise der Wind, und Julietta konnte Stimmen hören. Eine war rau, kaum verständlich, aber die andere besaß einen leicht fremdländischen Tonfall.
„Nicolai!“, rief Julietta und riss die Tür weit auf. Vor ihr stand der goldblonde Schauspieler und grinste, als auch der andere Mann
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