Die schöne Philippine Welserin: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
sich für immer einprägen, was sie da zu sehen bekamen. Schon beim Ankleiden, wo sie wenigstens ein ordentliches Hemd trug, war ihr das reichlich unangenehm. Sie war gewohnt, sich ohne Hilfe anzuziehen. Bis auf die frühesten Kindertage, wo eine Amme Anna Welser bei ihrem vierköpfigen Kleeblatt zur Hand gegangen war, war keine fremde Frau Philippine jemals mehr so nah gekommen.
»Und die Haare?«, fragte Dusana weiter. Nicht zum ersten Mal glaubte Philippine, unter der scheinbaren Freundlichkeit eine gewisse Schärfe herauszuhören. »Wollt Ihr damit etwa auch allein zurechtkommen?«
»Das werde ich übernehmen, wenn ich darf!«, sagte Katharina von Loxan, die unbemerkt hereingekommen war. »Meine Töchter sind schon so lange fort. Und bis die Söhne die richtige Braut nach Hause bringen, dauert es wohl noch eine ganze Weile. Der ganze vertraute Weiberkram von früher fehlt mir!« Sie krempelte die Ärmel auf. »Lass uns allein, Dusana. Du kannst einstweilen in der Küche beim Pflaumenmuskochen helfen.« Ihr Tonfall war gelassen, ließ aber keinerlei Widerspruch zu.
Dusana knickste sichtlich widerwillig und verschwand.
»Welch schönes Haar du hast«, sagte sie, als sie nach der Wäsche später Philippines Flechten im Schlosshof über eine Stuhllehne fächerte, damit sie schneller trockneten. »Im Sonnenlicht sieht es aus wie gesponnenes Gold!«
»Wie schamlos du übertreibst! Es sind ganz gewöhnliche blonde Haare«, widersprach die lachend, weil so viel Lob ihr unangenehm war. »Nicht einmal besonders hell. Im Winter bin ich fast braun. Du solltest aufhören, mir dauernd Komplimente zu machen, sonst werde ich noch eingebildet auf meine alten Tage.«
»Aber du bist eine schöne Frau, Pippa«, beharrte Katharina. »Das kann man dir nicht oft genug sagen. Und kein bisschen alt. So etwas möchte ich aus deinem Mund nie wieder hören! Wenn erst einmal die neuen Kleider fertig sind … «
»Gibt es einen speziellen Grund, warum du mich so herausstaffieren willst?«, unterbrach sie Philippine.
»Meine geliebte Nichte ist auf dem Weg zu mir von Wegelagerern überfallen und ausgeraubt worden«, kam als Antwort. »Ist das nicht Grund genug?«
»Aber ich brauche doch nicht gleich ein ganzes Dutzend neuer Gewänder auf einmal! Wann soll ich die denn tragen? Da müsste ich ja die nächsten fünf Jahre hier bleiben!«
»Wer weiß? Außerdem: wenn die Näherinnen schon einmal bei der Arbeit sind … « Katharina blinzelte träge gegen die Sonne. »Ich hoffe nur, sie lassen genug Spielraum in den Nähten, denn ein wenig mehr Fleisch solltest du schon noch auf die Rippen bekommen! Wollkleider brauchst du, wenn die Tage kühler werden, und das wird hier bald der Fall sein, Samt und Seide, sobald die langen Nächte der Festlichkeiten beginnen.«
»Sag nicht, dass du heimlich vorhast, mich zu verkuppeln, indem du mich geschmückt wie ein Pfingstochse herumreichst!« Sie musterte die Tante eingehend. »Das lass lieber sein, Tante Kat. Denn dazu tauge ich nämlich ganz und gar nicht.«
»Papperlapapp! Hier in Böhmen feiert man gern, nicht mehr und nicht weniger. Georg und ich haben stets ein offenes, gastfreundliches Haus geführt. Er würde mir zürnen, sollte ich nach seinem Tod mit dieser guten Tradition brechen, das weiß ich.« Sie nahm ihre schwarze Haube vom Kopf. »Zwei Jahre strenge Witwentrauer sind genug. Jetzt soll endlich wieder das Leben in unserem Schloss Einzug halten. Ich freue mich schon auf die Tänze und Gelage – und unsere Nachbarn nah und ferner mit mir! Sogar aus Prag hab ich bereits erste Anfragen erhalten.«
»Dann kommen auch hochgestellte Personen vom Hof zu dir?« Philippine schämte sich, wie angespannt und dünn ihre Stimme auf einmal klang.
»Als ob du das nicht wüsstest, Pippa«, sagte Katharina. »Auch wenn der Erzherzog schon lange nicht mehr hier war. Er ist in Ungarn auf Kriegszug gegen die Türken, und gebe der Allmächtige, dass es bald vorbei sein möge! Schreckliches muss sich dort in manchen Dörfern und Städten zutragen. Die Grausamkeiten auf beiden Seiten wollen kein Ende nehmen. Von zahllosen Gefallenen ist die Rede, von Gefangenen und schwer Verwundeten. So viele der ansässigen Familien haben Verluste zu beklagen! Wenn ich nur daran denke, dass auch mein Sohn darunter sein könnte … «
»Georg kommt zurück, ganz bestimmt«, sagte Philippine schnell. Der groß gewachsene Vetter mit den stechend blauen Augen und dem heiteren Wesen war ihr wie ein Sieger vorgekommen,
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