Die schöne Rivalin
uns diesmal nichts. Deine Ehe mit Ellen Sandor wäre die einzige Möglichkeit, uns zu retten. Wir sind sonst pleite, mein Sohn …«
Es war Mischa, als verliere in diesem Augenblick die Sonne allen Glanz. Es dauerte eine lange Zeit, ehe er die Sprache wiederfand.
»Wie … wie ist das denn möglich?« Seine Stimme war belegt. »Unsere Firma, die seit zweihundert Jahren …«
»Vor zweihundert Jahren gab es noch ehrliche Kaufleute. Heute stehen Boxer und Ringkämpfer an der Spitze der Firmen. Management nennt man das vornehm. Du weißt, daß ich nie zu denen gehörte, die ihr sogenanntes Recht mit Fäusten und mit den Ellenbogen durchsetzen.«
»Aber die Fabrik läuft doch! Wir haben Aufträge. Ich war doch gerade erst zu Verhandlungen in Düsseldorf. Wir exportieren über fünfzig Prozent unserer Produktion.«
»Stimmt, mein Junge. Stimmt alles.« Heideck drehte sich um. Er schien in diesen Minuten zusammengeschrumpft zu sein. Hatte er jemals so viele Falten im Gesicht, dachte Mischa erschrocken. Das ist mir nie aufgefallen. »Aber alle Exportverträge sehen langfristige Zahlungen vor. Die sogenannte Auftragsdecke ist da trotz der ansonsten angespannten Situation auf unserem Produktionssektor – indessen kommen die Zahlungen nicht herein. Sinkende Ölpreise zwingen viele unserer Schuldner, die Verlängerung der Zahlungsfrist zu verlangen. Die Banken sind bis an die Grenze des Kreditrisikos gegangen. Wir kaufen auch auf langfristige Wechsel, doch sie sind immer noch kürzer als die Exportzahlungen. Kurz und gut: Wir stehen mit sechs Millionen in den roten Zahlen, und davon sind vier Millionen allein bei den Rheinischen Stahlwerken, also bei Sandor. Wenn er will, kann er uns den Hahn zudrehen, und er wird es tun, wenn seine Tochter ihn darum bittet. Sandor tut alles, was sein Augapfel Ellen will. Deshalb …«, der alte Heideck hob hilflos beide Arme, »… deshalb solltest du Ellen heiraten. Du bist der einzige Erbe unserer Firma.«
Mischa schüttelte den Kopf. »Es geht nicht. Ich kann mit Ellen nicht leben. Sie ist launisch, flatterhaft, exzentrisch und nicht treu.«
»Das ändert sich in der Ehe, du wirst sehen. Man sagt der jungen Generation doch nach, sie sei pragmatisch, ohne Illusionen und lasse sich nur vom Verstand leiten. Du gehörst dazu. Bitte … jetzt beweise deinen Verstand!«
»Nein, Vater! Ich liebe Sonja. Ich verkaufe mich nicht, auch nicht für hundertzwanzig Millionen. Und die junge Generation, die versteht ihr Alten wirklich nicht. Gewiß, wir benehmen uns so, als würden wir den Verstand vor uns hertragen wie eine Fahne – aber hier drinnen …«, er schlug mit den Fäusten gegen seine Brust, »… im tiefsten Herzen, da sind wir noch genauso romantisch und dem Gefühl verhaftet wie unsere Vorfahren. Wir zeigen es bloß nicht, wir verstecken es. Wenn wir ein Mädchen lieben, dann blühen die Blumen ebenso bunt, wie ihr sie seht, und die Vögel singen fröhlich, und der Himmel ist besonders blau. Das lasse ich mir nicht zerstören.«
Er sah seinen Vater an, sah dessen Qual. Es zerriß ihm fast das Herz. Aber seine Liebe zu Sonja war gerade in diesen Minuten so mächtig geworden, daß es nichts Stärkeres gab. Die Angst, sie vielleicht für immer zu verlieren, überdeckte alles andere.
»Es tut mir ehrlich leid für dich … und überhaupt … aber es bleibt dabei: Ich heirate Sonja!«
»Das ist dein letztes Wort?«
»Ja.«
»Dann sage es Ellen Sandor selbst.«
»Das werde ich tun. Wo ist sie?«
»In ihrem Apartment.«
»Ich gehe hin. Und was die Firma betrifft: sie wird weiterbestehen. Daran zweifle ich keine Sekunde.«
»Dann glaubst du an Wunder, mein Sohn.«
Mischa schwieg. Noch einmal sah er seinen Vater an, als wollte er ihn um Verzeihung bitten; dann drehte er sich schnell um und lief hinaus.
Was zwischen Ellen Sandor und Michael Heideck geschah, was sie sprachen und vereinbarten, das hat nie jemand erfahren. Mischa blieb jedenfalls bis Mittag in Ellens Apartment, und als er herauskam und in seinen Sportwagen sprang, hatte sein Gesicht einen fast gelösten Ausdruck.
Ellen Sandor dagegen lag oben mit verweinten Augen auf ihrem Bett und rief ihren Vater in Düsseldorf an.
»Paps …«, begann sie und versuchte ihrer Stimme einen festen Klang zu geben, »du hattest mir doch mal vorgeschlagen, eine Reise nach Afrika zu machen. Eine Fotosafari. Ich hätte jetzt Lust dazu. Ja … ich freue mich … Ich habe nun auch endlich mal Zeit. Ja, das wäre schön, wenn du alles
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