Die schöne Rivalin
Jahrhundert stammte und noch restauriert werden sollte, und setzte sich darauf. Sonja wich zu einem Bauernschrank aus Tirol zurück. »Ich schlage vor, daß du mich jetzt endlich einmal anhörst«, sagte er. »Anschließend kannst du frei entscheiden, was du tun willst.«
»Ich habe mich bereits entschieden. Deshalb ist jedes weitere Herumreden zwecklos.«
»Was glaubst du wohl, weshalb ich mit einem Blumenstrauß bei deinen Eltern war?«
»Weil du ein Schuft bist und mich irreführen wolltest. Als ob das was nützen würde, sich bei meinen Eltern einzuschleichen! Irre ist das. Du hättest die Blumen besser zu deiner Ellen schleppen sollen.«
»Das hätte doch keinerlei Sinn ergeben – es sei denn, ich wollte ihr einen Abschiedsstrauß verehren. Zwischen Ellen und mir ist es nämlich aus.«
Sonja lachte höhnisch auf. »Eine ganz primitive Zweckbehauptung. Und selbst, wenn das für heute stimmt – morgen vertragt ihr euch schon wieder.«
Mischa stand auf und ging an Sonja vorbei zum Fenster. Es war vergittert und führte auf einen engen Hof. Einige Kinder spielten an den Mülltonnen. Dann drehte er sich um und sah Sonja an.
»Heute morgen hatte ich eine sehr ernste Aussprache mit meinem Vater. Er hat mir eine erschreckende Mitteilung gemacht. Wir stehen bei Sandor, dem Vater von Ellen, mit vier Millionen in der Kreide. Wenn Sandor diese Summe kurzfristig fordert, ist unsere alte Firma pleite. Die Ehe mit Ellen wäre die einzige Rettung. Daher schlug mir mein Vater noch einmal eindringlich vor, Ellen Sandor zu heiraten.«
Sonja fröstelte es plötzlich. Sie spürte einen eiskalten Hauch. Vier Millionen, dachte sie. Pleite. Dann bleibt ihm ja nichts anderes übrig, als bei Ellen zu bleiben. Dann ist er für mich endgültig verloren …
»Ich habe abgelehnt«, fuhr Mischa fort. »Meinem Vater habe ich es ganz klar gesagt, und anschließend auch Ellen. Es bleibt nichts mehr zu klären. Wir werden uns nicht wiedersehen.«
»Ja, aber …« stotterte Sonja, »… was wird dann mit eurer Fabrik …?«
Mischa zuckte die Schultern. »Wir müssen es abwarten.«
»Warum hast du das getan, Mischa?« Sonjas Stimme war ganz klein.
»Warum, warum, warum … Mein Gott, wieso fragst du das denn noch? Sieh doch endlich mal der Wirklichkeit in die Augen. Vielleicht ist alles falsch, was ich mache, aber ich kann eben ohne dich nicht mehr sein. Ich liebe dich!«
Sonja sagte kein Wort mehr. Sie hatte Tränen in den Augen. Und dann lief sie auf Mischa zu, und beide fielen sich in die Arme und küßten sich.
Als sie später aus dem Lager wieder ins Geschäft kamen, Arm in Arm und mit glücklichen Augen, hatte Thomas Bruckmann gerade fünf alte Münzen verkauft. Er räumte die Münzkästen zurück in den Schrank und dachte bei sich: Was sind wir Väter doch für Trottel!
Am Abend saßen die Verliebten in Sonjas Zimmer und ordneten Fotonegative. Sonja bewahrte sie in einem Behälter auf, der als Buch getarnt war und meist zwischen ihren richtigen Büchern im Regal stand. Deshalb hatte der Italiener Bombani bei seiner Suche nach dem bewußten Gangsterfoto aus St. Tropez nichts gefunden. Nun wollte sich Sonja an einer Ausstellung des Amateurfotografenclubs beteiligen, die demnächst stattfand.
»Diese vier werde ich vergrößern«, sagte Mischa und hielt die ausgesuchten Negative noch mal einzeln gegen den Lichtstrahl einer starken Lampe. »Ich glaube bestimmt, daß du damit Erfolg hast, Liebling. Die Bilder haben Atmosphäre. Sie müßten groß sein wie ein Gemälde, dann würden sie am besten wirken. Mal sehen, wie ich das hinkriege.«
Sonja nickte bloß. Sie sah nicht ihre Fotos an, sie sah Mischa an. Keiner weiß, wie mir ums Herz ist, dachte sie. Schreien könnte ich vor Glück.
Mischa steckte die Negative in einen einfachen Umschlag und schob ihn in die Tasche.
Das Gangsterbild vom Urlaub in St. Tropez war auch darunter.
Keiner von beiden ahnte, daß dieses Negativ Leben und Tod bedeutete. Fröhlich nahm es Mischa Heideck mit in sein kleines fotografisches Privatlabor.
Das schnelle Polizeiboot mit Kommissar Bouchard an Bord fuhr etwa eine Stunde lang mit voller Kraft in Richtung Mallorca, als der II. Offizier einen Punkt auf den Wellen tanzen sah, dem sich bald ein zweiter Punkt hinzugesellte.
»Wenn mich nicht alles täuscht, schwimmen dort Boote«, sagte er und wies dem Kommissar die Richtung. »Rettungsboote! Das ist merkwürdig. Haben Sie irgendwelche Funksprüche aufgefangen, Charles? Hilferufe?«
Der Funker
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