Die schöne Spionin
Hoffnung hergeschickt, Agatha würde vor Angst davonlaufen?
»Also, dann wollen wir mal sehen!« Er drehte den Finger durch die Luft.
Agatha beschloss, den Mund zu halten, bis sie wusste, was hier gespielt wurde und drehte sich brav um die eigene Achse. Als sie ihm wieder ins Gesicht sah, hatte sich seine Miene entschieden aufgehellt.
»Ist das alles Ihr eigenes? Keine Polster oder so was?«
Polster? Allein schon der Gedanke! »Das sage ich Ihnen nicht!«
»Kein Grund, gleich bissig zu werden. Ich muss schließlich wissen, woran ich bin.«
Um die Wahrheit zu sagen, sie schien dem Kerl zwar zu gefallen, aber er war nicht im Mindesten interessiert. Agatha entschied, dass ihre Tugend nicht in unmittelbarer Gefahr war und entspannte sich. Abgesehen davon wäre sie ihm mit seinem Hinkebein leicht entkommen.
Sie fühlte sich etwas besser und brachte ein Lächeln zustande. Er zwinkerte und rieb sich die Hände.
»Sie sind ein hübsches Ding, genau wie Stubbs gesagt hat. Aber ich warne Sie, die Hausordnung schreibt vor, keine Hurerei. Wenn es das ist, worauf Sie aus sind, können Sie gleich wieder gehen.«
Hurerei?
Hurerei
? Ihr fassungsloses Schweigen schien für sich selbst zu sprechen, denn er nickte.
»Gut, dann verstehen wir uns. Also, was haben Sie für mich?«
Oh, du meine Güte. »Nun, ich… wie darf ich die Frage verstehen?«
»Lieber Gott, Sie hören sich ja wirklich vornehm an. Wo haben Sie die damenhafte Sprache her, mein Mädchen?«
»Ha, das könnt ich schon immer. Sie sollten mich mal hören, wenn ich den König mach.«
Er zog die Brauen zusammen. »Ist das die Nummer? Unseren verrückten König nachmachen? Ich weiß nicht, ob wir für diese Art von Unterhaltung großen Bedarf haben…«
Agatha begriff endlich, dass der Kerl glaubte, sie wolle zur Unterhaltung der Gäste anheuern. Sie machte den Mund auf, um ihn zurechtzuweisen – und machte ihn wieder zu.
Was, wenn es ihr gelang, ein Engagement zu bekommen? Sie hätte gern gewusst, was hier los war und welche Rolle Simon dabei spielte.
Sie war brennend neugierig. Sie fragte sich, wie Simons anderes Leben aussah, jenes Leben, das er vor ihr geheim hielt. Jetzt hatte sie die Chance, es mit eigenen Augen zu sehen.
Unterhaltung. Nun, sie konnte sich schlecht als Sängerin oder Musikerin verkaufen. Ihre Pianoforte-Stunden hatten nach Mutters Tod abrupt aufgehört. Ihr Vater hatte sie gänzlich vergessen, und Agatha hatte ihn nicht daran erinnert.
Sie bezweifelte, dass sie irgendwelche Geschichten kannte, mit denen sich ein Club voller Gentlemen unterhalten ließ. Die Herren kamen zum Trinken, zum Kartenspielen, wegen der Schlangennummern…
»Karten! Ich kann gut mit Karten umgehen.«
Der Mann sah sie finster und nachdenklich an. »Eine Kartengeberin? Gut, gut…«
Agatha hätte sich nicht als Kartengeberin bezeichnet. Stellte man zum Kartengeben tatsächlich eigene Leute ein. Warum wechselten sich die Gentlemen nicht einfach ab? Vielleicht wurde auf diese Weise fair gespielt…
»Oh, Sie möchten, dass ich für Sie betrüge?«
Seine Augen wurden einen Moment lang weit, und sie dachte schon, sie hätte ihn beleidigt. Doch das freudige Aufleuchten seiner kalten Augen zeigte ihr, dass sie seinen wunden Punkt getroffen hatte.
»Können Sie das? Können Sie so gut Karten geben? Können Sie diese armseligen Blödmänner betrügen?«
Konnte sie betrügen? Wenn es eine Sache gab, die sie wirklich konnte, dann beim Kartenspielen schummeln. Man wuchs nicht in einem Männerhaushalt auf, ohne wenigstens in einer Hinsicht die Oberhand zu behalten.
»Möchten Sie es ausprobieren?«
Der Kerl hatte sie so schnell mit einem Pack Karten in der Hand am Spieltisch, dass sie kaum folgen konnte.
»Einundzwanzig«, verlangte er.
Sie fing an zu mischen. Sie gab ein bisschen an und mischte so schnell, dass die Karten verschwammen. Dann schickte sie sie im Bogen von einer Hand in die andere, was sehr beeindruckend war, ihr aber auch die Chance gab, einen Blick auf die Unterseiten zu werfen.
»Möchten Sie eine hohe oder eine niedrige Karte?«
»Geben Sie mir ein gutes Blatt, damit ich ordentlich setze und dann ein paar schlechte Karten.«
Sie lächelte ihn anerkennend an, weil das auch einer ihrer Lieblingstricks war. Sie gab ihm drei, dann noch eine, merkte sich die Karten und plapperte die ganze Zeit.
»Wussten Sie, dass der Erfinder der modernen Spielkarten sie ursprünglich für Kinder vorgesehen hatte?« Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, ob dem
Weitere Kostenlose Bücher