Die schöne Spionin
»Wenn das ein Beispiel dafür sein soll, wie viel Schmerz die Liebe mit sich bringt, dann will ich sie nicht.«
Die Worte trafen Simon wie ein Schlag. Denn er wollte diese Liebe, mit Schmerz und allem. Er hätte fröhlich eine ganze gefühlskalte Lebensspanne gegen einen Blick in Agathas liebende Augen getauscht, auch wenn dem der Schmerz der Trennung folgte.
Die Uhr im Eingang schlug drei. Agatha fuhr hoch.
»Oh, das hätte ich fast vergessen! Um vier Uhr ist im Hospital ein Treffen der freiwilligen Helfer. Ich muss mich umziehen.«
Simon hielt sie auf, als sie an ihm vorbeihuschen wollte.
»Aber sie glauben, du seist in Trauer. Du bist sicherlich entschuldigt.«
Sie sah ihn stirnrunzelnd an. »Aber nicht wirklich. Und ich weigere mich, das als Ausflucht zu verwenden, meine Pflicht zu vernachlässigen. Gerade du verstehst das bestimmt.«
Simon ließ sie gehen, ein halbes Lächeln im Gesicht. Natürlich verstand er es. »Ich bringe sie zum Hospital. Dort ist sie sicher. Nichts als Soldaten, so weit das Auge reicht. Danach hab ich noch was im Club zu tun. Kann ich irgendwas für dich erledigen, wenn ich schon rausgehe?«, sagte er zu James.
James betrachtete ihn mit zusammengezogenen Augen. »Ja«, sagte er. »Tot umfallen.«
Simon schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid, alter Junge. Das kann ich nicht tun, nicht einmal für dich. Wir brauchen einander, Agatha und ich, auch wenn es nur für kurze Zeit ist.«
»Und ich soll mich brav raushalten, während du meine Schwester entehrst?«
»Nein. Ich verstehe, dass du das nicht kannst. Ich kann nur hoffen, dass du mir eines Tages vergibst.« Womit er ging und sich fühlte, als habe er gerade seinen besten Freund verloren.
Aber das hatte er schließlich auch.
Kapitel 25
Im Hospital war die Hölle los, dennoch blieben viele der Schwestern und freiwilligen Helfer stehen, um Agatha zu kondolieren. Ihre Lügen schnitten sie tief ins Fleisch, wie ein zu enges Korsett. Während sie sich langsam auf den Umkleideraum zubewegte, fühlte sie sich in ihren verlogenen schwarzen Trauerkleidern wie eine hinterlistige Krähe unter lauter guten Engeln.
Endlich erreichte sie ihre Zuflucht, den Umkleideraum, nur um feststellen zu müssen, dass auch Mrs Trapp und ihre Töchter da waren.
»Ah, Sie kommen doch zu unserem Treffen, Mrs Applequist? Ich hatte nicht erwartet, dass Ihnen danach sein würde.«
»Der Krieg wartet nicht, bis ich zu Ende getrauert habe, Mrs Trapp.«
»Wie wahr, wie wahr. Trotzdem hätte ich gedacht, dass Sie vielleicht mit Ihrem Hausgast beschäftigt sind.« Mrs Trapps Augen glühten vor Neugier.
Hausgast? Hatte dieses wissbegierige Weibsbild etwa herausbekommen, dass Simon bei ihr nächtigte? »Ich weiß nicht, wen Sie meinen.«
»Den braunhaarigen Burschen, der oben auf dem Treppenabsatz stand, als wir das letzte Mal bei Ihnen vorbeigeschaut haben. Sehr gut aussehend und so gut gekleidet. Ein Mitglied der Familie, wie ich vermute?«
Agatha begriff entsetzt, dass James gesehen worden war. Und zwar vom größten Klatschmaul Londons! »Oh, das war… mein Cousin… ah… Merryl… Pickle… dor.«
»Pickledor? Von den Pickledors aus Brighton? Also, was sagt man dazu?« Sie nickte ihrer Tochter zu. »Kitty hatte gerade noch zu Lady Winchell gesagt, dass er ganz nach Brighton ausgesehen hätte. Sie wissen schon, sehr belesen und dünn, aber trotzdem attraktiv.«
Agathas Hände erstarrten, der Umhang blieb halb auf ihren Schultern hängen. »Lady W-Winchell?«, sagte sie erstickt. »Und w-wann?«
»Oh, gerade eben. Ich bin sicher, Sie haben sie gesehen. Sie ist gegangen, als Sie hereingekommen sind. Sie hatte es plötzlich sehr eilig.«
»O nein, Mami. Das ist mindestens zehn Minuten her«, widersprach Kitty.
Agatha zog den Umhang wieder über die Schultern und stürzte zur Tür. Vielleicht erwischte sie Simon noch…
Aber Harry und die Kutsche waren längst fort. Agatha blieb einen Moment auf dem Gehsteig stehen. Sollte sie eine Droschke nehmen und nach Hause zurückkehren, um Jamie zu warnen? Aber Simon hatte ihr eingeschärft, im Hospital zu bleiben.
Plötzlich wusste sie, was sie zu tun hatte. Ein Laufbursche war vermutlich schneller als eine Kutsche. Sie würde einen zum Club schicken und einen nach Hause. Zufrieden mit der Lösung machte sie kehrt, um durch die große Flügeltür ins Hospital zurückzukehren…
…doch zwei furchterregende Individuen standen ihr im Weg.
»Lassen Sie sich besser nichts anmerken, Madam.« Der größere der
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