Die schöne Spionin
Nicht einmal in Form von Bestechungsgeld, für das man den besten Freund verkaufte.
Also glaubte Jackham immer noch, dass die Jungs im Hinterzimmer zu Simons Einbrecherorganisation gehörten und half hoch erfreut bei der Planung der vielen Brüche mit, während er sich ansonsten um die Bücher und die Bar kümmerte.
Der Club gab ihm neuen Lebensmut und das Gefühl, Teil einer Welt zu sein, die er schon verloren geglaubt hatte.
Simon sah, dass die Erinnerung Jackham trübsinnig machte. »Weißt du, Jackham, diese Frau, die mit der Riesenschlange getanzt hat, war doch ziemlich gut. Warum holst du sie nicht in den Club? Sie kann eine Show für die Gimpel da draußen geben und eine für unsere Männer.«
Beim Gedanken an einen möglichen Profit hellte Jackhams Blick sich auf.
»Sie macht das recht elegant, nicht wahr? Hat uns schon früher einen ordentlichen Gewinn eingebracht. Die Gimpel haben sie schon einmal gesehen, also werden sie ihre Freunde mitbringen wollen, um zu beweisen, dass sie nicht gelogen haben.« Er zog die Augen zusammen. »Wenn nur die Hälfte von denen ein neues Gesicht mitbringt, und die Hälfte davon dann dem Club beitritt…«
Simon grinste und überließ Jackham seinen Kalkulationen. Er war froh, den Mann aus der Erinnerung an die Vergangenheit geholt zu haben. Der Blick zurück brachte nichts ein, nicht, wenn die Straße geradeaus weiterführte. Simons eigener Weg in die Zukunft war jedenfalls ein gerader. Er wusste genau, was zu tun war, und er wusste, er war der Einzige, der es tun konnte. Egal, wie reizvoll die Ablenkung war.
Der Tag war fast schon vorüber, und Mr Rain war immer noch nicht von seinem Spaziergang zurück. Agatha wanderte, so lange sie konnte, durch das Haus am Carriage Square, doch sie war Untätigkeit nicht gewohnt. Die letzten Jahre über war sie mit dem Anwesen beschäftigt gewesen. Während der letzten paar Tage hatte sie nur Sinn und Zeit für Simon gehabt.
Nein. Für ihre
Mission.
Doch wer geisterte durch ihre Träume ?
Agatha ignorierte die leise Stimme wie eine lästige Fliege. Gegen Träume ließ sich nichts machen. Ihre Träume waren vom Lärm und vom Stimmengewirr der Londoner Straßen erfüllt, ganz zu schweigen von den zwei blauen Augen – Himmel, sie hatte nie zuvor so blaue Augen gesehen – und das war nur natürlich, wenn man das Stadtleben nicht gewohnt war.
Irritiert, weil sie sich ohne Simon anscheinend nicht beschäftigen konnte, schlenderte Agatha in die Küche, wo Sarah, die Köchin, über ihr kleines Reich herrschte und Agatha mit einem süßen Brötchen und einem deutlichen Wink schnell wieder fortschickte. Pearson hatte den Haushalt gleichfalls gut im Griff, also wurde Agatha auch dort nicht gebraucht.
Vielleicht sollte sie ihrer Haushälterin einen Brief nach Appleby schreiben. Sicher hatte sie vergessen, Mrs Bell genauere Instruktionen zu erteilen, wie das Haus zu führen war.
Nein, um ehrlich zu sein, gab es wenig, was sie ihr hätte schreiben können. Der Spätfrühling war in Lancashire die einfachste Jahreszeit. Die Äpfel sahen noch wie grüne Murmeln aus, die Schafe hatten schon gelammt und waren vor einem Monat geschoren worden.
Nicht dass sie erpicht gewesen wäre, über die Eintönigkeit der letzten Jahre nachzudenken. Wenn es wieder an der Zeit war, sich um Appleby zu kümmern, dann würde sie es tun. Doch je länger sie auskam, ohne Lämmer oder Fässer mit Apfelwein zählen zu müssen, desto besser.
Bevor sie London gesehen hatte, war sie mit dem Landleben immer zufrieden gewesen, wenn auch nicht glücklich. Sie hatte insgeheim ihre rastlose Natur verflucht und ihr Bestes getan, sie zu unterdrücken. Papa war auf sie angewiesen gewesen, was das Tagesgeschäft betraf – und Jamie später auch.
Nicht dass Jamie sie vernachlässigt hätte, aber er kam nicht so oft nach Hause, wie Agatha es sich gewünscht hätte. Stattdessen musste ihr Bedürfnis nach Familie sich mit pflichtgetreuen Briefen begnügen.
Vielleicht brauchte sie Kinder. Sie mochte Kinder sehr, und als sie kürzlich ein Baby gehalten hatte, war sie den Tränen nahe gewesen. Doch in Appleby fiel ihr kein einziger Mann ein, den sie hätte heiraten wollen.
Reggie, den Rüpel, bestimmt nicht. Nicht wegen seines Titels oder seines Lands, nicht einmal, um nah an Zuhause zu sein. Sogar jetzt erschauderte sie noch bei dem Gedanken an seine grapschenden Hände oder seinen keuchenden Atem in ihrem Gesicht.
Sie zwang sich, an die Gegenwart zu denken und schüttelte
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