Die schöne Spionin
Wie schön, dass Sie sich so schnell erholt haben.«
Lavinia zog argwöhnisch die Augen zusammen. »Mir war nicht bewusst, dass Sie von meiner Erkrankung gestern Abend wissen.«
Oh, verdammt. Sie hatten die Gesellschaft verlassen, bevor bekannt geworden war, dass mit der Gastgeberin etwas nicht stimmte.
»Ah… nachdem wir Sie nicht finden konnten, dachte ich, Sie hätten wohl Kopfschmerzen und hätten sich zurückgezogen.«
»Hm, wenn Sie das sagen.«
Lavinia studierte sie nochmals eingehend, und Agatha konzentrierte sich darauf, naiv zu erscheinen. Offenbar überzeugte das die Lady, denn Lavinia entspannte sich etwas.
»Und Sie haben schon in aller Frühe Bettpfannen geleert, Agatha?«
Amüsierte Herablassung war besser als Argwohn, wenn auch bei weitem irritierender. Agatha behielt ihr einfältiges Lächeln bei und nickte ernsthaft.
»Oh, ja, Mylady. Sie kommen heute auch zum Helfen?«
»Das bezweifle ich. Ich muss mit dem Verwalter über den anstehenden königlichen Besuch des Prinzregenten sprechen.«
»Der Prinzregent?«
»Sicher, Sie erinnern sich doch noch an den Herrscher unseres lieben Empires? Ein widerwärtiger Kerl«, sagte sie mit herablassender Verachtung. »Der vermutlich hirnloseste Mann, dem ich je begegnet bin. Wäre da nicht der Premierminister, England würde in einem Herzschlag an Frankreich fallen.«
Doch ihre Augen leuchteten, und Agatha mutmaßte, dass Lady Winchell nichtsdestotrotz hoch erfreut war, in die Vorbereitung eines derart exaltierten Ereignisses involviert zu sein.
»Lady Winchell! Und meine eigene liebe Frau! Wie schön!«
Agatha riss den Kopf nach links und sah Simon mit einem Mortimer-Lächeln auf sie zukommen. Verdammter Idiot!
»Lady Winchell, Sie sehen heute Morgen ganz wundervoll aus. Es tut uns so Leid, Sie nicht mehr angetroffen zu haben, als wir uns gestern Abend verabschiedet haben.«
Simon war in bester Mortimer-Verfassung, das sah man. Sie hätte ihn am liebsten kräftig in die Hosen getreten, ein solches Risiko einzugehen, doch sie musste erfreut lachen.
»Si… Mortimer! Liebling, was tust du hier?« Sie versuchte, ihm mit den Augen zu signalisieren, dass er gehen solle, aber er nahm nur ihre Hand, hängte sie bei sich ein und lächelte Lavinia an.
Lady Winchells Blick sprühte Funken, aber ihr Lächeln war überzeugender als Agathas. Oh ja, Lavinia erinnerte sich nur allzu gut, sie ließ es sich nur nicht anmerken. Was waren sie alle doch für ein Pack von Lügnern?
»Mr Applequist, wie schön, Sie so bald wiederzusehen. Ich habe mich gut erholt, danke. Ich freue mich schon auf unseren nächsten gemeinsamen Abend. Vielleicht kommen Sie beide ja nächste Woche zu einer Kartenspiel-Gesellschaft zu uns?«
»Oh, ich bin keine Kartenspielerin, Lady Winchell, aber trotzdem herzlichen Dank«, platzte Agatha heraus.
Lavinia richtete die kalten Augen auf sie, und Agatha kam wieder die Ähnlichkeit mit einer Viper in den Sinn. Nur war ihr diesmal nicht zum Lachen.
»Natürlich nicht, Agatha. Wie dumm von mir. Nun, ich möchte schließlich nicht, dass Sie sich bei all der exquisiten Gesellschaft unwohl fühlen. Wir denken uns etwas…
Ländlicheres
für Sie aus!«
»Kapitale Idee, Mylady«, verkündete Simon pompös. »Wir freuen uns schon auf die Einladung.«
»Da bin ich sicher, Mr Applequist, da bin ich sicher.«
Lavinia drehte sich mit eisigem Lächeln um und schritt anmutig ins Krankenhaus hinein.
Agatha löste sich aus Simons Griff, beugte sich zu ihm und zischte: »Verdammt noch mal, Simon, was hast du dir dabei gedacht?«
»Ich dachte, ich rette dich, bevor sie dich mit ihrem Zorn erdolcht.« Er lachte und schaute sie fröhlich an.
»Würdest du Mortimer bitte eine Zeit lang vergessen? Ich bin bestens mit ihr klar gekommen. Sie weiß nicht, was ich weiß, also hatte ich die Oberhand, weil sie ja nicht wusste, was ich weiß.«
»Unglaublich. Ich habe das tatsächlich verstanden.« Simon schenkte ihr sein eigenes schiefes Grinsen, und Agatha verspürte jenes vertraute Ziehen in der Magengegend. Und etwas weiter unten.
Warum musste er so anziehend sein? Warum musste der erste Mann, zu dem sie sich wirklich hingezogen fühlte, ein Dieb und Halunke sein?
Es war zum Verrücktwerden. Und gänzlich unpassend. Im Grunde hätte sie Collis auf seinem Angebot festnageln sollen. Sie hätten natürlich noch über die zehn Kinder verhandeln müssen.
Sie seufzte. Erst musste sie Jamie finden. Dann würde sie durchbrennen. Mit Simon – grr, mit
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