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Die schöne Spionin

Die schöne Spionin

Titel: Die schöne Spionin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celeste Bradley
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gerührt, eher verblüfft.
    »Was ist?«, fragte sie sanft. »Was siehst du, das ich nicht sehe?«
    »Mich selbst.« Die Worte kamen so leise, dass Agatha sie kaum hörte.
    Sie sah wieder den Jungen an, die Bürsten und Lumpen, die er sorgsam unter den Beinen verstaut hatte, damit sie keiner stahl, während er rastete. Bei näherem Hinsehen konnte sie unter dem Ruß hohle Wangen und tiefe Schatten unter den geschlossenen Augen erkennen.
    »Bist du wirklich Kaminkehrer?«
    »Ich war es.« Er schien, bevor er sie ansehen konnte, erst die Erinnerung abschütteln zu müssen. »Ich würde nicht mehr durchpassen, weißt du.«
    Agatha sah wieder auf das Kind hinab. Der Kaminkehrer in Appleby war ein wohlhabender Mann mit vielen Söhnen, großen wie kleinen, die im Familienbetrieb mithalfen, und seine fröhlichen Kinder hatten mit dem dünnen, erschöpften Jungen nichts gemein.
    »Ist es sehr hart?«
    Simon zuckte die Achseln. »Es ist eine mörderische Arbeit, aber ich bin sicher, er ist froh, dass er sie hat.«
    Die Erinnerung überrollte ihn. Das enge Rohr, der erstickende Ruß, ein Kamin nach dem anderen, manche so heiß, dass die Ziegel Blasen auf den Händen hinterließen, manche unbenutzt und so kalt, dass einem die Knochen schmerzten. Die endlose Kletterei, bis man am Ende des Tages kaum noch stehen konnte. Das hohle Hungergefühl, wenn der Master am Abend entschied, dass es wegen irgendeiner imaginären Nachlässigkeit keinen Lohn gab.
    Ganz in Gedanken verloren, registrierte er kaum, dass Agatha von seiner Seite wich. Dann sah er, wie sie sich über den schlafenden Jungen beugte und sachte seine Schulter berührte.
    Das Kind zwinkerte sie verstört an. Simon konnte sich denken, was in dem Jungen vorging. Die meisten Ladys hätten nur die Röcke gerafft, sich aber nie zu ihm gebeugt und ihn berührt. In ihrem cremefarbenen Spencer und dem passenden Hut musste Agatha dem kleinen Schornsteinfeger wie ein Engel erscheinen. Simon selbst erging es schon so.
    Sie nahm die rußverschmierten Finger des Jungen zwischen die Hände und verschwendete keinen Gedanken an ihre Handschuhe. Simon glaubte zu sehen, wie sie in der Hand des Kindes gefaltetes Papier verschwinden ließ. Es musste sich um Pfundnoten handeln, denn der Junge riss ungläubig die blauen Augen auf, war aber darauf bedacht, nicht nach unten zu schauen oder sonst wie sehen zu lassen, was er da umklammerte.
    Aber Simon wusste, dass der Junge sich bald in die nächste dunkle Ecke drücken würde, um seinen Schatz zu begutachten.
    Agatha lächelte den Buben aufmunternd an, und er sah fast andächtig zurück.
Ihre nächste Eroberung,
sann Simon vor sich hin. Agatha sammelte sie regelrecht mit ihrer Güte.
    Sie kehrte zu ihm zurück. »Wollen wir etwas kaufen? All diese Sachen machen mir Appetit. Vielleicht etwas von dem schönen Grünzeug zum Dinner?«
    Sie wollte zu dem Stand mit dem Kopfsalat, aber Simon hielt sie am Arm fest. »Warum hast du das getan?«
    Ihre sanften braunen Augen wichen ihm aus. »Weil ich, als ich ihn angesehen habe, eben auch dich gesehen habe.«
    Er ließ sie gehen, weil er sie nicht sehen lassen wollte, wie sehr die schlichte Antwort ihn rührte. Er sah ihr zu, wie sie gewandt mit dem Gemüsehändler verhandelte, als habe sie nicht gerade, ohne groß nachzudenken, das Zehnfache gegeben, und er musste sich eingestehen, dass der Hauptgrund für seine Abneigung gegen den früheren Freund nicht James mutmaßlicher Hochverrat war, sondern die Art, wie er diese außergewöhnliche Frau behandelt hatte.
    Sie gingen zusammen über den Markt. Agatha kommentierte Dinge, die Simon schon seit Jahren nicht mehr zur Kenntnis genommen hatte, und Simon stillte mit seinen Erläuterungen ihren unendlichen Wissensdurst.
    Er kaufte ihr bei einem Imker ein Stück Honigwabe, und sie teilte es mit ihm. Er brachte sie zum Lachen, als die Süße ihn zusammenzucken ließ.
    Doch für Agatha brachte der Geschmack Appleby zurück, die sommerlichen Obstgärten und den Apfelblütenhonig, den sie sich an jedem Tag ihres Lebens morgens auf den Toast strich.
    Ihr stach vor Heimweh das Herz, auch wenn das Letzte, was sie wollte, eine Rückkehr war, die sie schlechten Händen auslieferte. Außerdem gab es in London so vieles zu sehen und zu erleben.
    Und es gab Simon.
    Simon war überrascht, welche Gefühle die Rückkehr auf den Markt bei ihm hervorrief. Er war seit seiner Jugend nicht mehr dort gewesen, aus Angst vor Schmerz und Schuldgefühlen.
    Doch obwohl so vieles wie

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