Die schöne Spionin
Collis.
»Was bringt dich hierher?«
»Ich… du, natürlich. Ich wollte mit dir ausgehen, falls du das möchtest.«
Agatha überkam bei der Vorstellung die reinste Freude. Eine nachmittägliche Ausfahrt mit Simon, wie ein ganz normales Ehepaar. Sie griff begierig nach seiner Hand und zerrte ihn fast aus dem Haus.
»Wollen wir zum Hyde Park fahren? Ich war noch nicht dort.« Sie hakte sich in seiner Armbeuge unter, diesmal recht willens. Mit mehr als nur winzigen Gewissensbissen spürte sie, wie der Druck ihrer Mission von ihr abfiel.
Aber für eine kleine Weile, nur für diesen einen Nachmittag, wollte sie ein Mädchen sein, das mit seinem Burschen in den vielfältigen, faszinierenden Straßen Londons unterwegs war.
Jamie hätte ihr das sicher nicht verübelt.
Draußen stellt Agatha fest, dass Simon mit einer der kleinen zweisitzigen Droschen gekommen war, die überall auf den Straßen zu sehen waren.
»Warum hast du dich nicht von Harry bringen lassen? Er liebt das Kutschieren.«
Er sah sie nicht an. »Oh, ich wusste nicht, wie lange wir aus sein würden. Ich wollte ihn nicht den ganzen Tag lang warten lassen.«
»Ich verstehe«, sagte sie, auch wenn sie es nicht wirklich tat.
Simon half ihr in die Droschke und setzte sich neben sie. Sie saßen sehr eng und privat auf der durchgehenden Sitzbank.
Es war ein feuchter Tag, und Agatha redete sich ein, dass sie sich nur deshalb an Simon lehnte, weil sie seine Wärme suchte. Um die Wahrheit zu sagen, hatte sie beim Einsteigen Zimt gerochen, und ihr lief das Wasser im Munde zusammen.
Sie versuchte, sich mit Geplapper abzulenken. »Wir werden viel zu tun haben, selbst wenn wir nur die Hälfte der Einladungen annehmen, die wir heute bekommen haben. Ich weiß nicht, ob Musikabende das Richtige sind, ich würde es vorziehen, wenn ich mich mit den männlichen Gästen unterhalten könnte. Vielleicht sollten wir uns auf Tanzabende und Dinnerpartys konzentrieren. Da gibt es bessere Möglichkeiten.«
»Agatha, könnten wir uns einen Nachmittag lang normal unterhalten?«
»Gern, dann sollten wir vielleicht über deine Pläne…«
»Liebste Lady, ich denke, wir sollten uns über alles, nur das nicht, unterhalten.«
Es war erstaunlich, wie er seine neu erlernten Manieren verinnerlicht hatte. Er hatte ihr wie ein geborener Gentleman in den Wagen geholfen, und seine Sprache übertraf all ihre Erwartungen.
Aus dem nasalen Cockney-Akzent hatte sich eine tiefe Stimme herausgeschält, die ihr bis in die Zehen hinab ein Prickeln verursachte. Sie hätte ihm den ganzen Tag lang zuhören können.
»Also, worüber wollen wir dann sprechen? Warum erzählst du mir nicht mehr von deiner Mutter und dem Markt am Covent Garden.«
»Heute ist Markttag, warum sehen wir uns Covent Garden nicht gleich an?«
»Wirklich? Oh, ich würde ihn so gerne sehen!«
»Dann sollst du ihn sehen.« Er beugte sich aus dem Fenster und gab dem Fahrer Bescheid.
Kapitel 11
Der Markt war genauso, wie Agatha ihn sich vorgestellt hatte. Menschen und Waren in einer Vielfalt, wie sie es nie zuvor gesehen hatte.
Der Platz war riesig, die Reihen der Wagen und Stände, an denen Früchte und Gemüse jeder erdenklichen Sorte angeboten wurden, bildeten ein richtiggehendes Labyrinth.
Und es gab noch mehr. Zwischen den farbenprächtigen Ständen bahnten sich Blumen- und Bänderverkäufer ihren Weg. Es gab einen Burschen, der Käfige voller Katzen verkaufte und einen, der bunte Vögel anbot.
»Glaubst du, die beiden kommen einander irgendwann einmal zu nahe?«, fragte Agatha angelegentlich. Er sah sie seltsam an. Ach so! Amüsanter Gedanke.
Simon kaufte bei einer zerlumpten Frau, die auf dem Platz vor der Kirche stand, einen Veilchenstrauß und bezahlte viel zu viel. Agatha bekam Herzflattern, als Simon sich zu ihr umdrehte und ihr das Sträußchen mit einer eleganten Verbeugung überreichte.
Als sie gingen, schaute Agatha über die Schulter zurück und sah die Frau die Münzen umklammern, als hätte Simon ihr gerade das Leben gerettet. Aus der Anzahl der dünnen Kinder zu schließen, die am Rockzipfel der Blumenverkäuferin hingen, hatte er es vielleicht wirklich getan.
Ein freigebiger Dieb. Typisch Simon.
Er blieb erneut stehen. Agatha folgte seinem Blick, sah aber nur ein Kind, einen rußverschmierten kleinen Kerl, der ans Rad eines Wagens gelehnt schlief und anscheinend zu müde war, den runzeligen Apfel zu essen, den er irgendwo aufgetrieben hatte.
Agatha sah zu Simon auf. Er schien nicht so sehr
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