Die schoene Tote im alten Schlachthof
dem
anderen und Damen fortgeschrittenen Alters in schrillfarbiger Funktionskleidung
mit Wanderstöcken diesen Weg in Beschlag nahmen. Ferschweiler musste öfter
größeren, unbeirrt auf ihn zumarschierenden Gruppen ausweichen und bereute es
zunehmend, nicht zusammen mit de Boer zu Dr. Rosskämper gefahren zu sein.
Von außen glich das Wohnhaus der Rosskämpers einer Festung. Betonsichtig
empfing es seine Besucher. Buchsbaumsetzlinge sollten wohl ein wenig
aristokratisches Grün vermitteln, und mickrige Rhododendren duckten sich vor
der abweisenden Fassade, die zwischen den dicht heranrückenden Nachbarbauten
noch burgartiger wirkte.
Ferschweiler betätigte die Klingel neben der mit großen geometrischen
Mustern verzierten Tür. Er hatte mindestens mit einem Westminsterschlag
gerechnet, doch bloß ein schrilles Klingeln erklang.
Dr. Rosskämper öffnete nach wenigen Augenblicken. Er war groß
gewachsen, von athletischer Statur und hatte blaue, leicht wässrig wirkende
Augen sowie eine Glatze.
»Guten Morgen, Herr Dr. Rosskämper. Mein Name ist Rudolph Ferschweiler.
Ich bin Kommissar bei der Mordkommission hier in Trier. Wir hatten telefoniert.
Darf ich Ihnen mein Beileid ausdrücken?« Ferschweiler hasste derartige
Situationen. Er würde sich wohl nie daran gewöhnen können.
»Guten Tag, Herr Kommissar. Ich habe Sie erwartet. Kommen Sie bitte
herein.«
Dr. Rosskämper trat zurück und ließ Ferschweiler eintreten. Das Haus
machte im Inneren keinen anderen Eindruck als von außen. Ferschweiler
fröstelte. Alle Wände waren in Grau gehalten, und auch der Fußboden bestand aus
nacktem Beton. Der Wohnbereich, der sich über zwei Etagen erstreckte und auch
die Küche beinhaltete, beherbergte nur einige wenige Möbelstücke. An der Küche
war bemerkenswert, dass die Küchenmöbel alle in Schalen aus Beton eingelassen
waren. Ob hier jemals gekocht wurde? Ferschweiler hätte darauf nicht wetten
wollen.
Im zentralen Bereich des Wohnzimmers standen gegenüber dem Sofa,
einem Designerstück aus hellbraunem Cord aus den siebziger Jahren, zwei klobige
Ledersessel, wie Ferschweiler sie aus dem Dienstzimmer seines obersten
Vorgesetzten kannte. Lounge Chairs hießen diese Möbel, hatte Dr. Süß ihm
gesagt, und sie seien äußerst teuer. Bequem waren sie allerdings nicht, fand
Ferschweiler, schön war für ihn auch etwas anderes.
»Ich bin erst heute Nacht aus Boston zurückgekehrt. In Schiphol hat
mich Ihre Nachricht erreicht. Wie ist es denn passiert? Musste sie sehr
leiden?«
Ferschweiler musste wieder an das starre, verzerrte Gesicht der
Toten denken.
»Nein, unser Gerichtsmediziner hat mir gesagt, dass sie nicht leiden
musste, es ging alles sehr schnell. Ihre Frau hat einen anaphylaktischen Schock
erlitten, und da sie in dem Atelier, wo es passiert ist, allein war, konnte ihr
auch niemand helfen. Eine Putzfrau hat sie dann einige Zeit später gefunden.«
»Ich kann es nicht fassen«, sagte Dr. Rosskämper sichtlich bewegt
und wischte sich eine Träne aus dem linken Augenwinkel. »Sie war so
lebensbejahend und fröhlich. Und nun ist sie tot. Haben Sie schon eine Ahnung,
wer es gewesen sein könnte? Oder gehen Sie nicht von einem Mord aus?«
»Es spricht alles dafür, dass jemand Ihre Frau umgebracht hat. Aber
das Motiv kennen wir bislang noch nicht. Können Sie sich vorstellen, wer einen
Grund gehabt haben könnte, Ihre Frau zu töten?«
»Warum sollte jemand Melanie etwas antun?«, fragte Rosskämper.
Ohne auf diese Gegenfrage zu antworten, erkundigte sich Ferschweiler:
»Führten Sie eine glückliche Ehe? Ihre Schwiegermutter hat uns gegenüber
gewisse Andeutungen gemacht.«
»Ich kann mir schon denken, was die alte Schachtel gesagt hat. Für
sie wäre es normal gewesen, wenn ich in unserer Ehe die Hosen angehabt und mich
so verhalten hätte wie ihr Ehemann. Aber bei uns war das anders. Wir führten
eine gleichberechtigte Ehe.«
»Im Gespräch mit Ihrer Schwiegermutter habe ich jedoch den Eindruck
gewonnen, dass Ihre Frau Sie unterdrückt und überwacht hat.«
»Sie meinen, weil ich sie ständig darüber unterrichten musste, was
ich tat und wo ich war?« Rosskämper lachte. »Manchmal war es tatsächlich
anstrengend. Aber auf diesem Weg konnte ich auch immer erfahren, ob es ihr gut
geht. Denn sie war krank und neigte nicht unbedingt dazu, mich über ihren
Zustand und Aufenthaltsort zu informieren. Nur auf meinen Auslandsreisen, da
hatte ich Ruhe.«
»Wer wusste denn, dass Ihre Frau eine so
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