Die schoene Tote im alten Schlachthof
Frauchens vernahm und aufhorchte. Er drehte sich um und lief
zu dem am Boden liegenden Körper zurück, schnupperte am Gesicht, leckte an den
Wangen und ignorierte die Gestalt, die neben seinem Frauchen stand. Im nächsten
Augenblick wurde auch er vom Blatt des Spatens getroffen.
Erst eine Stunde später sollte ein Spaziergänger, der ebenfalls mit
seinem Hund unterwegs war, die Frau und Gustav auffinden.
Ulrike Kinzig war sofort tot gewesen. Der Spaten hatte sie an der
Schläfe getroffen und ihr den Schädel zertrümmert.
***
Ferschweiler nahm den Bus. De Boer hätte ihn zwar bei
seinem Termin begleiten und ihn in seinem bequemen Dienstwagen auf den Petrisberg
chauffieren können, doch das hatte Ferschweiler abgelehnt. Er wollte allein mit
dem Ehemann des Opfers sprechen. Und die Zeit, die sich ihm während der Busfahrt
bot, wollte er zum Nachdenken nutzen.
Als sich vor ihm an der Haltestelle Kurfürstenstraße, unweit der Dienststelle
der Mordkommission, die Türen des Busses der Linie 14 öffneten, bereute
Ferschweiler seinen Entschluss bereits. Ein warmer Vorhang verbrauchter Luft
von älteren Damen auf dem Weg zum Einkaufen oder Friseur und den Ausdünstungen
von Schülern und halbbetrunkenen Studenten schlug ihm entgegen. Aber was sollte
er machen? Missmutig stieg er ein.
Hinter dem Fahrer fand Ferschweiler einen Platz. Er war gespannt,
welches Bild sich ihm gleich auf dem Petrisberg bieten würde. Das letzte Mal
war er vor drei Jahren dort gewesen, damals anlässlich des jährlichen
Wandertags der Polizei, dem er seitdem konsequent ferngeblieben war. Auch
vorher war er nicht immer mitgegangen. Veranstaltungen, die zu geheuchelten
Verbrüderungen unter sich ansonsten als Konkurrenten eher ablehnend
gegenüberstehenden Personen führten, fand er unerträglich. Auch sonst mied er
große Menschenmengen, wenn er nur konnte – de Boer nannte ihn deshalb
immer augenzwinkernd den lonesome wolf . Seinerzeit
hatte der Polizeipräsident Ferschweiler persönlich eingeladen mitzumarschieren.
Und da er Dr. Süß von verschiedenen zurückliegenden Anlässen kannte und
schätzte, hatte er zugesagt.
Das Gelände auf dem Petrisberg hatte in den letzten Jahrzehnten der
französischen Garnison als Kasernenareal und Materialdepot gedient.
Ferschweiler konnte sich noch gut daran erinnern, wie er als Kind mit seinem
Freund Pierre, dessen Vater bei den Franzosen die Panzer reparierte, einmal die
Kasernen und Schuppen besucht hatte. Damals war er tief beeindruckt gewesen.
Aber so waren kleine Jungs eben: Panzer waren etwas Tolles, wie so ziemlich
alles, was krachte und stank.
Allerdings stand Ferschweiler dem, was die Entwicklungsgesellschaft
Petrisberg, die für den Umbau des Kasernengeländes zum Wohnquartier
verantwortlich zeichnete, nach dem Abzug der Soldaten aus dem Gebiet gemacht
hatte, ablehnend gegenüber. Ein eigenes Viertel für die »Luxemburger« war
entstanden, für diejenigen, die in den Banken jenseits der Grenze arbeiteten,
zumindest war das Ferschweilers Eindruck. Bereits die ersten, anlässlich der
Landesgartenschau hochgezogenen Bauten schienen ihm da recht gegeben zu haben –
»Wohnen am Wasserband«: Was sollte das denn sein? Ferschweiler war gespannt,
was er gleich zu sehen bekommen würde.
Der Bus kroch schnaufend die Serpentinen hinauf, vorbei am Hotel
Petrisberg mit seinem schmucken schmiedeeisernen Torbogen und dem
sensationellen Blick auf die unten im Tal liegende Stadt, vorbei am Kloster St.
Clara und der Station des Deutschen Wetterdienstes sowie dem letzten
Überbleibsel des westlichen Kasernenausläufers, einem alten Fahrzeugschuppen,
der nun auch – so das Bauschild – zu einem luxuriösen Loft ausgebaut
wurde. Das war tatsächlich Wohnen mit besonderem Flair! Ferschweiler wäre es
nie in den Sinn gekommen, in einer Garage zu wohnen, obwohl dies offensichtlich
angesagter war, als er gedacht hatte, wie er schmunzelnd angesichts der die
Straße säumenden Hauswürfel feststellte.
»Am Wasserturm« – das war seine Haltestelle, hier musste er
aussteigen. Jetzt waren es nur noch wenige hundert Meter zu Fuß.
Ferschweiler ging am Wasserturm vorbei und den Weg entlang, der das
Gelände zwischen Petrisberg und dem Plateau mit dem ehemaligen französischen
Militärhospital säumte. Als besonderes Angebot an die fitnessbewussten Bewohner
des neuen Stadtteils hatte sich die Entwicklungsgesellschaft Petrisberg
einfallen lassen, hier eine Finnbahn anzulegen, sodass nun ein Jogger nach
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