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Die schoene Tote im alten Schlachthof

Die schoene Tote im alten Schlachthof

Titel: Die schoene Tote im alten Schlachthof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Schneider , Stephan Brakensiek
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saß Ferschweiler angespannt nachdenkend an seinem
Schreibtisch. Vor ihm auf dem Tisch lag der Abschiedsbrief von Wolters.
    »Und?«, wollte der Holländer wissen. »Was hat er geschrieben? Wie
hat er sich überhaupt umgebracht?«
    Ferschweiler blickte auf. »Er hat sich an einem dicken Nagel
erhängt, den er zuvor in einen Balken über der Tür geschlagen hatte. Angeblich,
wie er der entrüsteten Wirtin mitgeteilt hatte, um einen Schinken zum Trocknen
aufzuhängen. Gestern Nacht hat die Wirtin dann ein Poltern gehört. Da aber
schnell alles wieder ruhig war, hat sie sich nichts weiter dabei gedacht und
sich in ihrem Bett wieder umgedreht. Heute kurz nach Mittag ging sie dann an
Wolters’ Zimmer vorbei und bemerkte, dass seine Gardinen vollständig
zurückgeschoben waren und das Licht brannte. Sie hat durch das Fenster geschaut
und ihn am Türrahmen baumeln sehen. Am Abend zuvor hatte er noch seine Rechnung
bezahlt, weil er das Pensionszimmer am nächsten Tag räumen wollte. Der
Abschiedsbrief«, Ferschweiler hob das Schriftstück hoch und zeigte es de Boer,
»lag feinsäuberlich gefaltet und in ein Kuvert gesteckt auf dem Nachttisch. Es
war ein sonderbarer Anblick, fast schon surreal. Und er hat mich an etwas
erinnert … Ich weiß aber nicht, an was.«
    »Und was hat er für Gründe angegeben?«, fragte de Boer.
    »Ich lese dir den Brief am besten einmal vor:
    Liebe Doreen,
    nun habe ich den letzten Schritt getan.
Wenn du dies liest, bin ich nicht mehr. Ich habe es bei dir nicht mehr
ausgehalten, war aber zu feige, es dir zu sagen. Ich habe Melanie geliebt wie
keine zweite, auch wenn sie mich oftmals schlecht behandelt hat. Mir ist
inzwischen klar geworden, dass sie mich immer nur ausgenutzt und verachtet hat,
während sie gleichzeitig mit jedem an der Akademie ins Bett gestiegen ist. Aber
ich wollte Melanie unbedingt haben, diese wunderbarste aller Frauen, dieser
Traum meines Lebens. Ich wollte mit ihr durchbrennen, ein neues Leben beginnen.
Aber jetzt ist sie tot, und mein Leben hat damit keinen Sinn mehr. Ihre Seele
ist nun an einem Ort, wohin ich – wenn du dies liest – auch bereits
gegangen sein werde. Vielleicht sind wir zumindest dort vereint. Ich hätte mich
nie von dir trennen können – nur auf diesem Wege war es möglich, denn ich
hatte immer Angst vor dir. Aber zu dir zurückzukehren, davor habe ich noch mehr
Angst als vor dem Sterben.
    Verzeih mir, Otmar .
    Alles mit der Schreibfeder in einer gestochenen
Handschrift abgefasst, die keinerlei Anzeichen von Nervosität erkennen lässt.«
    Er reichte den Brief de Boer, der sich, während Ferschweiler
vorgelesen hatte, schweigend auf seinem Bürostuhl niedergelassen hatte.
    »Starker Tobak«, sagte er nach einer Weile. »Was enttäuschte Liebe
so alles anrichten kann …«
    »Ja«, Ferschweiler fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare,
»aber es war nicht nur enttäuschte Liebe. Es war wohl auch die Verzweiflung
darüber, dass ihm nach Melanie Rosskämpers Tod nichts anderes mehr blieb, als
zu seiner Gattin zurückzukehren. Wolters’ Frau muss ja eine richtige Furie
sein. Und der Tod von Melanie Rosskämper hat ihn dann völlig aus der Bahn
geworfen und ihm seinen letzten Rückzugsort genommen. Was für ein schreckliches
Schicksal … Ich überlege schon die ganze Zeit, ob ich das hätte
vorhersehen müssen.«
    Ferschweiler blickte einen Moment lang nachdenklich aus dem Fenster,
dann wandte er sich wieder an de Boer. »Wim, sprichst du bitte mit Wolters’
Frau und kümmerst dich nach Abschluss der Untersuchungen darum, dass der
Leichnam zur Bestattung möglichst schnell nach Dessau überführt wird?«
    De Boer nickte schweigend.
    »Zurück zu Ulrike Kinzig«, sagte Ferschweiler schließlich. »Was
haben deine Befragungen der Nachbarn in Roscheid ergeben?«
    »Also …« De Boer hatte seinen Notizblock bereits aus der
Manteltasche gekramt. »Herr Kinzig hat sich in den letzten Tagen, so berichten
verschiedene Nachbarn übereinstimmend, täglich zweimal mit dem Taxi Essen vom
nahe gelegenen Imbiss ›Monis Futterkrippe‹ bringen lassen. Den Taxifahrer habe
ich auch schon ermitteln können, es war immer derselbe. Er hat mir erzählt,
Kinzig habe ihn bei jeder Lieferung großzügig entlohnt. Da hat er natürlich
gern jede Fahrt für ihn gemacht. Auch den Alkohol hat er ihm gern und in großen
Mengen besorgt. Nur dass er gestern noch zwei junge Frauen vom Bahnhof in
Konz-Karthaus abholen sollte, ist ihm komisch vorgekommen. Aber als auch in

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