Die schoene und der Lord
»Catherine?«
Sie beäugte ihn neugierig. »Verzeihung, Sir?«
Der Mann starrte sie an, als sehe er ein Gespenst vor sich. »Natürlich, Sie können ja gar nicht sie sein, aber die Ähnlichkeit ist geradezu unheimlich.«
»Sind wir uns schon einmal begegnet?«
»Catriona«, schaltete Tolley sich ein. »Dieser Mann ist Christian Talbot, Viscount Plimlock. Er ist dein Onkel.«
Sie sah Robert an. »Mein Onkel? Wie das? Mein Vater hatte keine Brüder, denn dann hätten sie doch das Erbe vor Damon angetreten.«
»Nein, er ist der Bruder deiner Mutter«, erklärte Noah. »Sogar ihr Zwillingsbruder, um ganz genau zu sein. Mit Brewsters Hilfe ist es mir gelungen, den Mädchennamen deiner Mutter in Erfahrung zu bringen. Er hat einige Nachforschungen angestellt und herausgefunden, daß sie vor der Heirat mit deinem Vater Catherine Talbot hieß. Darauf habe ich weiter-geforscht, ob sie noch lebende Verwandte hatte, und dabei habe ich Lord Plimlock ausfindig gemacht.«
Catriona besah sich sofort ihr Medaillon. Die Initialen waren C und T. »Der junge Mann hier auf der Miniatur. Sind Sie das? «
Lord Plimlock betrachtete das Medaillon und lächelte, dann nickte er. »Dies hat unsere Mutter Catherine geschenkt, als sie noch ein Mädchen war. Jetzt wo ich Sie und das Medaillon zusammen sehe, habe ich nicht mehr den geringsten Zweifel. Ich gebe zu, erst war ich skeptisch, als man mir mitteilte, daß Catherine eine Tochter hätte, aber nachdem ich von Sir Damon erfuhr, begann das alles einen Sinn zu ergeben. Catherines Tod war mir immer verdächtig erschienen, denn es blieben damals allzuviele Fragen unbeantwortet.«
»Sie waren Zwillinge«, sagte Catriona, »genau wie ...«
Er nickte. »Wie ich höre, hatten Sie einen Bruder.«
»Ja. Er ist bei der Geburt gestorben.«
In letzter Zeit hatte Catriona ziemlich oft an ihren Bruder gedacht, der nicht einmal lange genug gelebt hatte, um überhaupt zu erfahren, daß er eine Schwester hatte. Als sie erstmals von ihrer wirklichen Abstammung erfuhr, hatte Catriona das Wissen um ihren Bruder irgendwie verdrängt. Sie war noch nicht bereit gewesen, sich mit diesem Teil ihres Lebens auseinanderzusetzen, nicht nach dem gerade so kürzlich erlittenen Verlust von Mary und Angus. Selbst ihre Mutter, Lady Catherine, hatte sie vorerst aus ihren Gedanken verbannt und sie zusammen mit ihrem Bruder beiseite geschoben, bis sie soweit wäre, eingehender über sie nachdenken zu können. Seit sie aber um das Kind wußte, das sie in sich trug, kreisten ihre Gedanken immer häufiger um ihren Bruder und Lady Catherine. Was wäre er heute für ein Mensch gewesen? Wäre er großgewachsen? Hätte er ihr ähnlich gesehen ? Wie anders wäre ihr Leben verlaufen, wenn er am Leben geblieben wäre? Jetzt, wo sie erfuhr, daß auch ihre Mutter einen Zwillingsbru-der gehabt hatte, schien es ihr, als würden die Teile eines seit langer Zeit auseinandergerissenen Puzzles wieder zusammengesetzt.
»Ihr werdet euch über eine Menge Dinge unterhalten wollen«, sagte Robert. »Dazu wollt ihr gewiß unter vier Augen bleiben. So sei es denn.«
Nachdem die anderen sich zurückgezogen hatten, setzte Christian sich neben Catriona auf das Sofa.
»Kannten Sie meinen Vater?« fragte sie ihn.
»Ja.« Christian ließ den Blick durch den Raum schweifen. »Ich war gegen ihre Heirat, nicht weil ich dachte, daß Charles sie nicht gut behandeln würde. Er liebte Catherine wie verrückt, das konnte jeder sehen, der sie zusammen erlebte. Aber ich fand, daß der Altersunterschied zwischen ihnen zu groß war. Sie war noch so jung. Er war schon einmal verheiratet und hatte seine Frau im Kindbett verloren. Wenn ich nur gewußt hätte ...«
Catriona streckte die Hand aus und berührte sachte seine Hand. Zunächst schien ihn diese Berührung zu überraschen, aber dann lächelte er.
»Sie müssen sie sehr geliebt haben«, sagte Catriona.
»Wir standen uns sehr nahe, zuweilen schien es, als seien wir eins. Nachdem sie aber Charles geheiratet hatte, führte ich mich auf wie ein Narr. Ich war wütend darüber, daß sie mich für Charles verlassen hatte. Wir hätten noch so viele Erlebnisse miteinander teilen können.« Er schloß die Augen und schöpfte tief Luft. »Jetzt weiß ich, daß ich deswegen so sehr gegen ihre Heirat mit Charles eingenommen war. Weil sie mich verließ, und vielleicht auch, weil ich irgendwie wußte, daß ich sie nie Wiedersehen würde. Sie hat mir geschrieben, Dutzende von Briefen, in denen sie mich inständig
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