Die schoene und der Lord
Lieblingstabak. Als kleines Mädchen gab es für Catriona nichts Schöneres, als in seinen Armen einzuschlafen, das Gesicht gegen seine Brust geschmiegt, wo sein Geruch sie warm einhüllte. Wie beruhigend sein donnernder Herzschlag an ihrer Wange gewesen war.
»Willkommen daheim, Dad. Du hast uns gefehlt.« Dann trat sie an das hölzerne Schränkchen neben der Tür, um dort ihre Sachen zu verstauen. »Der Colonel ist wohlauf. Es tut mir leid, daß ich nicht da war, als du heimgekommen bist. Es ist nicht Maireads Schuld. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie spät es schon war.«
»Ach ja?« erwiderte ihr Vater, ohne sie aus den dunkelglänzenden Augen zu lassen; der Ausdruck in ihnen war unmißverständlich: >Ich weiß schon, wo du gewesen bist<.
Catriona ging ans Feuer hinüber, um ihrer Mutter einen Kuß auf die Wange zu geben. »Hallo, Mam.«
Mary MacBryan hob den Blick von ihrem Spinnrad und lächelte Catriona an, aber ihr Lächeln erstarb und wich einem besorgten Stirnrunzeln, als sie den vorwurfsvollen Blick ihres Mannes bemerkte. Nervös nestelte sie am Knoten ihres Kopftuchs herum, stand auf und trat an die Feuerstelle, um in dem Essen zu rühren, das dort vor sich hin köchelte.
»Was hat dich denn nun beim Colonel so lange aufgehalten, Mädchen?« fragte Angus und ließ sich auf seinem Stuhl am Kopfende des derben Pinienholztisches nieder, welcher den Mittelpunkt des bescheidenen, aber behaglichen Zimmers bildete. Dort wirkte er ganz wie ein König im Kreise seiner Untertanen.
»Einer seiner Strümpfe mußte gestopft werden. Das kann er nicht mehr selbst, dazu zittern seine Hände mittlerweile zu sehr. Ich hatte ihm zugesagt, das für ihn zu erledigen«, gab Catriona zur Antwort und setzte sich auf den Platz gegenüber von ihrem Vater, weit genug von ihm weg.
Das war auch nicht gelogen, strenggenommen. Sie hatte den Colonel besucht, ihm den Topf voll Essen gebracht und sogar seinen Strumpf gestopft; dann hatte sie gewartet, bis er in seinem Sessel am Feuer eingeschlafen war, und war auf Zehenspitzen hinausgeschlichen, um nach Rosmorigh zu gehen. »Das ist recht artig von dir, Catriona MacBryan, daß du dich so um den Colonel kümmerst«, murmelte Angus, während er seinen Haferkuchen entzweiriß und eine Hälfte in die Schale voll Eintopf tunkte, die Mary ihm gerade vorgesetzt hatte. Catriona hielt den Blick gesenkt. Sie wollte schon nach dem Korb voller Haferkuchen greifen, besann sich aber dann eines besseren. Dieser Tonfall ihres Vaters war ihr wohlbekannt, und sie wußte, worauf es hinauslaufen würde.
»Catriona? «
Sie hob den Blick und bemerkte, daß Angus sie anstarrte. Ihre Mutter und Mairead saßen stocksteif und stumm am Tisch und vermieden es sorgsam, die beiden anzusehen.
»Ja, Dad?«
»Halt doch einmal deine Hände hoch.«
»Wie bitte, Dad?«
»Ich sagte, du sollst deine Hände jetzt hochhalten, Tochter, mit den Handflächen nach außen.«
Catriona nagte verzweifelt an ihrer Unterlippe und blickte noch einmal zu ihrer Mutter hinüber. Mary nickte leicht, als wolle sie ihr zu verstehen geben, sie solle einfach gehorchen und dem Unvermeidlichen ins Auge blicken. Gelegentlichen Ungehorsam ließ er ihr vielleicht durchgehen, aber offene Rebellion würde Angus MacBryan auf gar keinen Fall dulden.
Langsam hob Catriona die Hände von ihrem Schoß und drehte sie auswärts. Daumen und Zeigefinger ihrer rechten Hand waren vorne voller Tinte, und auch ihre Handflächen wiesen hier und da Kleckse auf. Es war hoffnungslos. Sie war entlarvt.
»Womit hast du denn die Strümpfe des Colonels gestopft, Mädchen? Mit Teer?«
Catriona nahm die Hände herunter und begann sofort, sich wortreich zu verteidigen. »Dad, ich war nur ganz kurz auf Rosmorigh, und dann kam auch schon Mairead, um mich abzu - «
Über den Tisch hinweg räusperte Mairead sich nachdrücklich, um Catriona zu verstehen zu geben, daß sie auf gar keinen Fall mit in die Sache hineingezogen werden wollte. In diesen Schlamassel war sie schließlich ganz allein geraten. Catriona verstand den Wink sofort. »Dad, du weißt doch, daß sich derzeit niemand in Rosmorigh aufhält. Das ganze Schloß steht leer. All die Bücher, und niemand liest sie. Wem wird denn Schaden zugefügt? Du wolltest doch immer, daß deine Töchter sich bilden. Deswegen hast du doch Miss Grimston kommen lassen, die uns Lesen und Schreiben beigebracht hat. Aber es gibt noch so viel, was wir nicht bei ihr gelernt haben, Sachen, die ich aus den Büchern in der
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