Die schoene und der Lord
das Hochland so bezeichnend ist. Rasch und nahezu lautlos eilte Catriona durch die Gänge unter dem Schloß, dann huschte sie die Treppe hinauf, die zur Geheimtür der Bibliothek führte. Sie hatte nur eine einzige Kerze dabei, die sie entzündet hatte, um den Weg durch das Tunnelsystem zu finden. Der Raum hinter der Tür war ziemlich dunkel, trotz des Morgenlichts, trotz ihrer Kerze. Jedenfalls zu dunkel zum Lesen. So dunkel, daß man eigentlich überhaupt nichts dort tun konnte.
Sie durchquerte den Raum, um die Vorhänge beiseite zu ziehen, die die hohen Fenster verdeckten. Nachdem sie ihren Kerzenhalter auf dem Tisch neben sich abgestellt hatte, zog sie energisch den schweren Stoff beiseite.
»Verdammt nochmal, schließen Sie sofort wieder die Vorhänge!«
Catriona war wie vom Donner gerührt. Sofort zog sie die Vorhänge wieder zusammen und blieb wie angewurzelt stehen, ohne das schwere Brokatgewebe loszulassen. Das Herz schlug ihr bis zum Hals.
Dort, wo der Stoff noch leicht auseinanderklaffte, fiel ein dünner Lichtstreifen durchs Fenster. Sie starrte die Staubpartikel an, die darin herumschwebten, und wagte vor Angst kaum, mit der Wimper zu zucken.
Sie war von direkt hinter ihr gekommen, diese donnernde Stimme, aus kaum drei Metern Entfernung. Es gab für sie keine Fluchtmöglichkeit, sie konnte sich nirgendwo verstecken und erst recht nicht so tun, als sei sie nicht da. Maireads Warnungen, die Prophezeiungen ihres Vaters — jetzt waren sie Wirklichkeit geworden. Sie war im Schloß des Angelsachsen, betrat unbefugt seinen Besitz, und diesmal war der Angelsachse anwesend.
Catriona überlegte kurz und sah ein, daß ihr nichts übrigblieb, als sich umzudrehen und sich ihm zu stellen. Vielleicht könnte sie es ihm erklären, und wenn sie Glück hatte, entging sie auf diese Weise sogar der Festnahme. Es hätte allerdings schon eines Wunders bedurft, damit ihr Vater nichts davon erführe.
Sie drehte sich um. Beim Anblick des Mannes, der hinter ihr wartete, stockte ihr vor Überraschung der Atem.
Er war es, der Mann von dem Porträt, das an der Wand hing, der Mann in der Uniform, dessen Falkenaugen so wirkten, als könnten sie ihr bis in die Seele schauen. Wie von Zauberhand hatte er Gestalt angenommen und saß in dem Sessel vor dem Kamin, auf dem sie selbst so manche Stunde mit Lesen zugebracht hatte, nicht selten bis in die frühen Morgenstunden. Beim Hereinkommen hatte sie ihn nicht bemerkt, denn es brannte kein Feuer, und bis auf ihre eigene war in dem Raum keine Kerze entzündet.
Catriona blieb stumm. Ihr fiel nichts ein, was sie hätte sagen können. Sie konnte ihn nur anstarren. Ihren Ritter, ihren Beschützer, der sich jetzt auch als der Angelsachse entpuppte. Eigentlich hätte sie sich fürchten müssen, und ihm jetzt von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen, brachte sie nicht wenig aus der Fassung. Aus irgendeinem Grund aber war die Furcht über ihre Entdeckung gänzlich verflogen, als sie sich zu ihm umdrehte und ihn erkannte. Statt dessen gingen ihr verschiedene Fragen durch den Kopf. Warum saß er so allein im Dunkel? Hatte er irgendwie von ihren früheren Besuchen im Schloß erfahren und sich nun auf die Lauer gelegt, um sie zu erwischen?
Ein Augenblick verstrich, dann noch einer und noch einer. Er rührte sich nicht und sagte auch nichts. Verwundert blickte Catriona ihn an. Konnte er nicht sehen, daß sie direkt vor ihm am Fenster stand? Womöglich hatte das plötzlich von draußen einfallende Licht sie in Schatten gehüllt, als sie die Vorhänge so unvermittelt aufriß. Langsam und vorsichtig trat sie einen Schritt vor, so daß die Kerze neben ihr durch die Bewegung ins Flackern geriet.
Catriona konnte ihn jetzt deutlicher erkennen. Sein Haar war so pechschwarz wie eine Neumondnacht und reichte ihm leicht zerzaust bis in den Nacken. Ausdrucksvoll wölbten sich die Brauen über den Augen, sein Mund war grimmig verzogen, und dieser Eindruck wurde durch das straffe, markante Kinn noch verstärkt. Die langen, sich verjüngenden Finger umklammerten die samtbezogenen Armlehnen des Sessels. Das einzig Helle an ihm war das weiße, oben offene Hemd, das einen kräftigen, sehnigen Hals entblößte und die glatte, muskulöse Brust darunter erahnen ließ. Dieses Hemd bildete einen Gegensatz zu der dunklen Hose, die schwarz und enganliegend war und unterhalb der Knie in seine Stiefel mündete, welche leicht versetzt fest auf dem Boden ruhten.
Sein Körper wirkte angespannt, jederzeit zum Sprung
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