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Die schoene und der Lord

Titel: Die schoene und der Lord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaclyn Reding
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jetzt, wo sie ihn kennengelernt hatte, ihm von Angesicht zu Angesicht begegnet war und sogar mit ihm gesprochen hatte, hatte das Porträt ein wenig von seiner Erhabenheit eingebüßt. Der wirkliche Mensch war so viel imponierender, und das Gemälde vermittelte lediglich einen Abglanz dieser Wirklichkeit. Und wenn er erst fort war und Rosmorigh wieder verlassen hatte, würde Catriona es nie wieder mit derselben Ehrfurcht und Bewunderung ansehen können, dessen war sie sich bewußt. Vielmehr würde sie nur noch Bedauern und Traurigkeit empfinden, wenn sie es betrachtete.
    Woher rührte diese Unschlüssigkeit, weshalb widerstrebte es ihr so, an seine Abreise zu denken? Die anderen vor ihm waren ihr doch auch immer ganz gleichgültig gewesen, und sie wußte, daß es närrisch von ihr wäre, zu glauben, es könnte sich zwischen ihnen je etwas entwickeln, das über das Verhältnis von Gutsherr zu einfacher Pächterstochter hinausging. Er war schließlich ein Adeliger. Ein Herzog. Sie war bloß die Tochter armer Kleinbauern, und ihre Familie war aut Gedeih und Verderb von ihm abhängig. Alles, was darüber hinausging, würde sich ganz aut ihre Träume beschränken müssen.
    Aber es kam Catriona noch immer so vor, als hätte sie sich ihn bloß eingebildet, als habe er, von dem sie so viel träumte, wie von Zauberhand Gestalt angenommen, als sie sich an jenem Morgen das erste Mal umwandte und ihn dort im Dämmerlicht hatte sitzen sehen. So oft hatte sie schon mit ihm — vielmehr mit seinem Bildnis — gesprochen, bei jeder Gelegenheit, aber diesmal hatte er ihre Worte zum ersten Mal erwidert. Und seine Stimme hatte ebenso tief und gebieterisch geklungen, wie sie es sich immer vorgestellt hatte.
    Seit ewigen Zeiten hatte sie jetzt von diesem Mann geträumt. Sie hatte sich in sein Bild verliebt, ohne auch nur seinen Namen zu kennen, ln den Geschichten, die sie ihm andichtete, hatte sie ihn überlebensgroß erscheinen lassen. Und nun, nach all dem, mußte sie ihn wieder fortschicken. Dies bekümmerte sie am meisten.
    Den ganzen Tag lang hatte sie über den Herzog nachgedacht. Sie fühlte sich zu ihm ebenso hingezogen wie früher zu seinem Porträt, nur daß dieses Gefühl nun noch stärker war, weil sie voller Neugier auf ihn und sein wirkliches Leben war; ihre erfundenen Geschichten hatten jetzt ausgedient. Sie konnte nichts dagegen tun: Sie wollte unbedingt wissen, wie er sein Augenlicht verloren hatte. Ob es wohl im Getümmel einer fürchterlichen Schlacht passiert war, überlegte sie und dachte an das aut dem Porträt abgebildete Geschehen. Sie stellte ihn sich auf einem mächtigen Schlachtroß vor, das dunkle Haar windzerzaust, wie er eine Armee seiner Männer zum Sieg führte. Was hatte ihn bloß hierher ins ferne Schottland verschlagen? Wenn die englischen Landbesitzer auch die nördlichen Regionen hin und wieder ihrer Abgeschiedenheit halber aufsuchen mochten, so hatten sie ihre schottischen Besitzungen doch meist nach kurzer Zeit satt. Das wußte jeder, denn diese Gegenden waren zu abgelegen, zu weit weg von London mit all seinen Aufregungen und seiner Pracht. Überhaupt hatten nur wenige der englischen Grundbesitzer Ländereien im Hochland, denn die meisten bündelten ihre Interessen lieber entlang der Grenzen, wo das Land üppig und fruchtbar war. Dort war außerdem jederzeit eine Kutsche aufzutreiben, die sie wieder gen Süden trug, sobald der exotische Reiz des Nordens sich abgenutzt hatte.
    Nun kehrte Catriona dem Porträt den Rücken und ging zurück zum Sessel des Herzogs. Sie ließ sich darin nieder und fuhr mit der Hand über den prachtvollen Stoff. Sitzfläche und weichgepolsterte Rückenlehne wiesen noch schwache Spuren seiner Körperwärme auf. Sehr lange konnte er also den Raum noch nicht verlassen haben, zumal in dem üppigen Samtbezug noch eine Ahnung seines Duftes haftete, eine entschieden männliche Note aus Nelke und Bergamotte. Catriona kuschelte sich tiefer in den Sessel und schloß die Augen: Wenn sie doch bloß das vor ihr liegende nicht tun müßte. Wenn ...
    Vom Flur her drangen Stimmen herein. Sofort setzte sie sich aufrecht hin. Sie waren ganz in der Nähe. Es würde ihr nicht gelingen, noch rechtzeitig aus dem Raum zu huschen, dabei hätte man sie von außen hören können. Catriona preßte sich also ganz tief in den Sessel und betete, daß die Leute nicht hereinkämen.
    »Hat sich endlich vom Sessel erhoben und ist ins Bett gegangen«, sagte die erste Stimme, die einem Mann gehörte und

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