Die schoene und der Lord
entgegengesetzte Richtung und drang noch tiefer in den Bauch der Klippen vor. Es war stockfinster und unangenehm kühl, aber das nahm sie kaum wahr. Ihr Mißerfolg hatte sie schwer er-schlittert. Sie hätte die Ketten einsetzen sollen, dachte sie, als sie das Kämmerchen erreichte, wo sie all ihr Spukzubehör aufbewahrte. Dort stellte sie die hölzerne Teigschüssel ihrer Mutter zurück in die Nische, die eine Laune der Natur in der Felswand hinterlassen hatte. Diese kleine, leichte Schüssel fügte ihrer Stimme genau den richtigen Halleffekt hinzu, wenn sie hineinsprach. Und wenn sie hineinflüsterte, war die Wirkung geradezu unheimlich.
Dann ließ sie die Schnur mit den aufgefädelten Seemuscheln in die Schüssel fallen, die wie Zähneklappern klangen, wenn man sie schüttelte. Mit einem leisen Rasseln landeten sie in dem Behältnis. Catrionas Blick fiel auf das kurze Stück rostiger Kette, das sie eines Tages, halbverborgen im Sand, am Strand gefunden hatte. Sie nahm sie in die Hand und schüttelte sie, aber dann runzelte sie die Stirn. Selbst die Ketten hätten ihm keinen Schrecken eingejagt.
In der Hinsicht war er genau wie sein Vater.
Bei allen anderen, die Catriona je aus Rosmorigh zu vertreiben versucht hatte, hatte sie Erfolg gehabt, sogar bei der sonst so unempfindlichen, lästigen Mairead. Catriona dachte zurück an den Tag, als sie ihre Schwester in der Bibliothek von Rosmorigh überrascht hatte. Natürlich war sie auf der Suche nach Catriona, die dort wie üblich die Bücher durchstöbert hatte. Catriona hatte gerade erst den Plan gefaßt, im Schloß als Spuk aufzutreten, um andere davon abzubringen, dem Schatz und ihrer Suche danach auf die Schliche zu kommen. Anfangs hatte sie noch Zweifel, ob diese Taktik tatsächlich funktionieren würde. Mairead jedoch hatte den schlagenden Beweis dafür erbracht, denn sie war als erstes Opfer geradezu ideal.
Sobald Catriona hinter den schweren Vorhängen das klagende Seufzen und Stöhnen einer verdammten Seele angestimmt hatte, war Mairead im Gesicht buchstäblich kreidebleich geworden. Als sie dann aus der Finsternis auch noch Kettenrasseln vernahm, hatte sie eiligst die Flucht ergriffen. So schnell hatte Catriona sie noch nie laufen sehen. Nach diesem Vorfall hatte Mairead nie wieder auch nur eine Stufe der schmalen Steintreppe betreten, die zur Bibliothek hinaufführte, wenn sie ihre Schwester abholte. Lieber blieb sie unten stehen und rief nach Catriona, während sie ängstlich die Schatten um sich her beobachtete, denn sie war jederzeit darauf gefaßt, es könnte sich etwas darin bewegen. Aber so sehr ihr auch der Schreck in die Glieder gefahren war, Mairead hatte nie jemandem davon erzählt, was ihr in jener Nacht in Rosmorigh widerfahren war. Statt dessen berief sie sich auf Ian Alexander und sein ganz ähnliches Erlebnis, wenn sie Beweise dafür anführen wollte, daß es in dem alten Gemäuer tatsächlich spukte.
Als Ian in Rosmorigh auftauchte, hatte Catriona ihren markerschütterndsten Schrei eingesetzt und dazu noch eine Prise vom Schwarzpulver des Colonels ins Kaminfeuer gestreut. Der grelle Lichtblitz und die weiße Rauchwolke, die aus dem Kamin drangen, hatten Ian zum sofortigen Rückzug veranlaßt. Ganz ruhig. Ohne jedes Aufheben. Und er war nie wiedergekommen, um Catriona nachzustellen. Sogar der schwerfällige alte Abercromby, seines Zeichens Verwalter von Rosmorigh, hatte wie ein Kind in Todesangst geschrien, bis eines der Hausmädchen ihm zu Hilfe geeilt war. Sie alle, jeder einzelne von ihnen, waren darauf hereingefallen, ließen sich nur zu leicht davon überzeugen, daß geisterhafte Wesen aus dem Jenseits auf Rosmorigh hausten. Das heißt, alle mit Ausnahme des alten Gutsherrn, des Vaters des jetzigen Herzogs. Er hatte einfach im Dunkeln dagesessen und jede ihrer Requisiten und Darbietungen mit einem glucksenden Lachen quittiert, nur um am Schluß sogar zu applaudieren, als sie es endlich aufgab.
Und der neue Gutsherr war anscheinend ebenso unerschrocken wie sein Vater — und auch gleichermaßen entschlossen, auf Rosmorigh zu bleiben.
Erst als Catriona schon aufbrechen wollte und vorher noch kurz ihre Bestände prüfte, fiel ihr auf, daß ihr Taschentuch nicht dabei war. Es war ihr allerletztes Aufgebot gewesen, und sie hatte gehofft, den Herzog zu überrumpeln und doch noch von der Gegenwart eines Gespenstes zu überzeugen, indem sie es ihm über die Wange hatte streifen lassen; schließlich hatte er sie nicht sehen können, obwohl
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