Die schoene und der Lord
preiszugeben. Dann aber sagte sie endlich mit fester Stimme: »Catriona. Ich heiße Catriona MacBryan.«
Ein reizender schottischer Akzent machte sich bemerkbar, als sie ihren Namen aussprach; bislang war er gar nicht aufgefallen, denn sie sprach ein geschliffenes Englisch. Catriona. Was für ein hübscher Name, wohlklingend und ungewöhnlich. In das Taschentuch war ein Buchstabe eingestickt, der sich wie ein C angefühlt hatte. Robert mußte lächeln, denn dies bestätigte die Vermutungen, die er über seinen Besuch aus der Welt der Geister gehegt hatte.
»Sie sind Schottin«, sagte er, »und doch sprechen Sie ein ausgezeichnetes Englisch.«
»Ja. Ich habe einen großen Teil meiner Kindheit bei einer Tante in Manchester verbracht, und dort bin ich auch zur Schule gegangen. Außerdem engagierte mein Vater eine englische Hauslehrerin für meine Schwester und mich, nachdem ich wieder hierher zurückgekommen war.«
»Wie lange leben Sie denn jetzt wieder in Schottland?«
»Es ist zehn Jahre her, daß ich mit zwölf zu meiner Familie zurückkehrte«, erwiderte sie und fügte dann hinzu: »Ich bin am selben Tag geboren, an dem die Franzosen Königin Marie Antoinette enthaupten ließen.«
»Tatsächlich?« Ganz kurz war Robert über ihr Alter verblüfft. Er hatte sie für viel jünger gehalten, was vielleicht daran lag, daß sie so offen und aulrichtig war, oder weil sie sich so unverstellt ausdrückte; ihm fiel wieder ein, wie sie die durchs Fenster einfallenden Sonnenstrahlen mit Regenbögen verglichen hatte. In London wäre dieses Farbenspiel nur wenigen Frauen ihres Alters aufgefallen, und ihre Bemerkung darüber, die eine unschuldige Freude an diesem Schauspiel verriet, wäre dort geradezu undenkbar gewesen. Überdies hätte sich kaum eines der Londoner Luxusgeschöpfe der Mühsal ausgesetzt, ein derart aufwendiges Spektakel zu inszenieren, um ihm einen Schrecken zu versetzen.
Jetzt mußte er nur noch herausfinden, warum sie diesen Spuk veranstaltet hatte.
»Also«, unterbrach sie seine Überlegungen, »wo war ich bei der Beschreibung des Raums stehengeblieben?«
»Ich glaube, Sie waren gerade beim Schreibtisch.«
»Oh, ja, das Zebraholz.«
Er hörte, wie sie aufstand und davonging. Zu gerne wäre er ihr gefolgt, aber wenn er daran dachte, wie er womöglich gegen das Mobiliar stieß, blieb er lieber wohlaufgehoben im Sessel sitzen. Statt dessen konzentrierte er sich auf die bildliche Vorstellung des Raumes, die er sich im Geist zurechtgelegt hatte.
»Hinter dem Schreibtisch«, hob Catriona an, »steht ein riesengroßer Sessel aus dunklem Eichenholz, das nicht sorgfältig geschnitzt wirkt, sondern eher so, als habe man es mit einer Axt grob behauen. Die Sitzfläche besteht aus einer Art Tierhaut und ist so ausladend, daß dort leicht zwei Platz fänden. Man könnte sich gut vorstellen, daß der Sessel in grauer Vorzeit einem Riesen als Thron gedient hat, der in den Tiefen des Waldes hauste.« Sie lachte belustigt auf. »Obendran befindet sich sogar ein Geweih.«
Auch Robert mußte lächeln, als er sich die Sitzgelegenheit bildlich vorstellte. Das Stück mochte recht primitiv gestaltet sein, aber er konnte gut nachvollziehen, warum sein Vater Gefallen daran gefunden hatte, konnte er doch seinen Hut ebenso daran aufhängen wie die gepuderte Perücke, die er allen Moden zum Trotz hartnäckig weitergetragen hatte. Den Gebrauchswert eines Gegenstandes hatte der Herzog immer höher eingeschätzt als seine äußere Erscheinung, die ihm weitgehend gleichgültig war. Sein jüngster Sohn Noah hatte diesen Zug von ihm geerbt. In dieser Hinsicht stellte der Sessel eine perfekte Ergänzung zum Schreibtisch dar.
Catriona fuhr fort. »Drei der vier Wände sind mit Büchern bestellt; es mögen Tausende sein, und sie behandeln jeden nur denkbaren Gegenstand.« Kurz hielt sie inne. »Ach ja. Zwischen den Regalen hängt ein Porträt von Ihnen.«
»Ein Porträt?«
»Ja. Sie befinden sich auf einem Schlachtfeld und tragen einen roten Uniformrock.«
Robert fühlte, wie ihm kalt wurde oder vielmehr, wie ihn ein Schauer überlief. Nur zu gut konnte er sich an den Tag erinnern, als er für das Porträt Modell gestanden hatte. Sein Vater hatte den Künstler bis nach Spanien gesandt, um ihn dort ausfindig machen zu lassen. Viel Blut war an diesem Tag vergossen worden, und Pietro war ihm währenddessen nicht von der Seite gewichen. Pietro war eigentlich immer bei ihm gewesen, damals.
Catriona spürte wohl, wie seine Stimmung bei
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