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Die Schöne und der Tod (1)

Die Schöne und der Tod (1)

Titel: Die Schöne und der Tod (1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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gesehen. Sie ist über den Balkon auf das flache Dach geklettert und einfach gesprungen.
    – Keiner hat sie gestoßen? Das ist sicher?
    – Sicher.
    – Warum tut sie so etwas?
    – Das weiß ich nicht, Junge.
    – Darf ich meinen Freund holen? Er ist irgendwo im Haus, er sucht mich bestimmt.
    – Hol nur deinen Freund, er kann auch einen Schnaps haben.
    Max schreit Baronis Namen durch das Treppenhaus. Eine Tür geht auf, eine Stimme ruft, er solle sein Maul halten, aber Max schreit weiter. Bis Baroni wütend die Treppe herunterkommt. Sein Mund ist ein Schlitz. Er wollte eben gehen, sagt er, dass es ein Witz sei, ihn in diesem Loch alleinzulassen. Erst als Max ihm von der alten Frau und dem anatolischen Schnaps erzählt, hellt sich sein Gesicht wieder auf.
    Baroni folgt Max durch den schmalen Gang in die kleine Küche, er begrüßt die Frau und setzt sich neben sie. Zufrieden, dass er wieder mit im Spiel ist, dass er nicht mehr durch das heruntergekommene Treppenhaus irren muss, hält er der Frau sein Glas hin und sagt einen türkischen Trinkspruch. Sie lächelt, sagt Prost und trinkt.
    Sie stoßen auf Margas Schönheit an und auf das, was die Schönheit mit ihr gemacht hat. Sie sprechen über sie, fragen die gastfreundliche Türkin nach ihr aus, doch die Frage, warum Marga immer nur für ein paar Tage in dieses Haus kam, kann sie nicht beantworten, sie weiß nicht, was da oben passierte, sie erinnert sich nur an diese Frauenfüße, die unruhig durch die Wohnung über ihr strichen, dass sie selten stillstanden, dass immer wieder die Spülung ging, das Wasser, wie es durch die Wand in der Leitung nach unten kam. Sie sagt, dass oft auch andere Mädchen in die Wohnung gingen, wenn Marga nicht da war, hübsche Mädchen, und Männer, dass es oft nach Sex riecht im Treppenhaus. Und dass viele der Männer aus einem Club in der Nachbarschaft kamen, bevor sie in die Wohnung gingen. Nur wenige Meter die Straße runter.
    Aber geht lieber nicht dorthin. Schlechte Gegend, sagt sie.
    Guter Schnaps, sagt Baroni.
    Danke, sagt Max.
    Sie verabschieden sich. Max will in den Club, er will wissen, was da oben passiert ist, er will wissen, was August ihm verschweigt, er will wissen, was Marga in diesem Haus gemacht hat, warum sie da war, ob sie sich ausgezogen hat. Max hat August nach der Wohnung gefragt, warum Marga in Wien war, als sie starb. Marga habe hin und wieder in Wien gearbeitet, hat August geantwortet, es sei die Wohnung von Freunden gewesen, aus der sie gesprungen sei. Aber nichts von Männern, die ein- und ausgingen, nichts von schäbigen Clubs, von düsteren Treppenhäusern.
    Bevor die Tür zugeht, dreht Max sich noch einmal um und zeigt der Türkin ein Foto, das er aus Augusts Wohnung mitgenommen hat. August beim Eisfischen, stolz mit einem Karpfen in der Hand. Die Türkin nickt. Das war einer von den Männern, sagt sie. Sie klopft Max auf die Schulter.
    Du bist ein guter Junge, sagt sie.
    Dann fahren sie mit dem Lift nach unten.

Achtzehn
    – Wohin?
    – Dahin.
    – Nein, Max, da geh ich nicht hinein, das ist nichts für uns. Lass uns bitte in den ersten Bezirk fahren, ich kenne da ein sehr ordentliches Lokal, ich kann uns dort einen Tisch reservieren, zum Niederknien, Max, russisch, Kellnerinnen, dass du fast stirbst.
    – Komm schon. Feigling.
    – Muss das sein? Das ist gefährlich hier. Wenn du in so einem Laden falsch schaust, bist du tot, oder du hast hinterher keine Finger mehr, oder sie schneiden dir was anderes ab. Ich will nicht sterben, Max. Meine Kinder brauchen mich noch, und nächste Woche muss ich im Tierheim Sachen versteigern. Max, bitte. Nicht da hinein.
    – Uns passiert schon nichts.
    – Sagt der Totengräber, der gestern verschüttet wurde.
    – Wir gehen einfach rein und bestellen ein Bier, das trinken wir, und wenn es sich ergibt, schauen wir uns ein bisschen um.
    – Wir schauen uns ein bisschen um? Hier?
    – Und wir trinken Bier, da hast du doch nichts dagegen, oder? Das ist eine Kneipe wie jede andere, bestimmt ein ganz feiner Club, mal was anderes.
    – Wenn du meinst.
    – Bestimmt, Baroni, bestimmt.
    Er überwindet sich, drückt die Tür auf, lächelt den Türsteher freundlich an und betritt die Unterwelt. Max folgt ihm. Eine Bar, ein paar Tische, sehr viele Spielautomaten, einige halbnackte Mädchen stehen herum. Alles ist schmuddelig, Ledercouches in den Ecken. Sie setzen sich an die Bar. Der Kellner, der so aussieht, wie Max sich einen Serienmörder vorstellt, stellt ihnen Bier hin. Er

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