Die schoenen Hyaenen
Anders ausgedrückt — Geld auf der Bank. Eine bezahlte Versicherungsprämie, meine Liebe.«
»Was denn für eine Versicherung?« fragte Jahne verständnislos.
»Arbeitslosenversicherung.« Mai stand mühsam auf, lachte aber. »Wenn ich Glück habe, schmeißen Sie mich nicht raus.«
»Das würde sich niemand einfallen lassen. Sie sind doch sagenhaft gut.«
»Heute sagenhaft gut, morgen arbeitslos.« Mai zuckte die Schultern. »Gefällt's Ihnen?« fragte sie mit einem Blick in den Spiegel.
Tatsächlich vollbrachte Mai wahre Wunder. Sie hatte die ganzen Jeans auseinandergetrennt und sie völlig neu zusammengenäht. Trotz Diät und Operationen war Jahne nicht so schlank wie die beiden anderen Mädchen. Einmal war sie kleiner und dann eben auch älter. Jetzt wirkte ihr Bauch so flach wie ein Eierkuchen. »Ich möchte bloß wissen, wie Sie das geschafft haben, Mai.«
»Ein paar Tricks. Eine Lycraeinlage vorn, hinten mehr Spiel. Und die Seitennähte verstärkt, damit sie nicht knittern oder sich auswölben. Nur nicht darin sitzen! Hierin dürfen Sie nur Szenen im Stehen drehen lassen. Wenn sie sich ausruhen wollen, legen Sie sich auf ein schräges Brett. Ich habe jetzt die Jeans für das Motorrad in der Arbeit. Die sind nur fürs Sitzen. Die haben mehr Spiel im Gesäß, lassen Ihre Beine aber länger und dünner wirken.«
»Eine Jeans zum Sitzen, eine zum Stehen. Das ist doch unfair!« Jahne lachte. »Unfair gegenüber all den Frauen, die nicht auf Ihre Hilfe zurückgreifen können.«
»Die werden nie verstehen, warum ihre Jeans nicht so sitzen wie Ihre.« Mai lächelte. »Hollywoodzauber.« Sie sammelte Scheren, Stoffreste und Stecknadeln vom Boden auf.
»Ich helfe Ihnen«, sagte Jahne und hockte schon auf dem Boden.
»Sehen Sie? Das ist eben komisch. Daß Sie das tun. Manche sind nur anfangs höflich. Aber für eine Schönheit wie Sie ist es sehr ungewöhnlich. Außerdem haben Sie es als Kompliment aufgefasst, als ich sagte, Sie seien sehr hübsch. Schöne Mädchen hören das nicht gern. Genau wie es hübsche Mädchen nicht mögen, attraktiv genannt zu werden. Das genügt ihnen nicht.« Sie musterte Jahne. »Vielleicht waren Sie als Kind blind. Aber wenn ich noch einmal so was sage, werde ich wirklich vor die Tür gesetzt.«
Als Jahne am Abend nach Hause kam, müde nach zehn Stunden Außenaufnahmen in dem staubigen San Clemente, konnte sie vor Erschöpfung kaum noch ihre Post aus dem Kasten nehmen. Sehr viel Post erwartete sie ohnehin nicht. Wer sollte ihr schon schreiben? Sie besaß keine Verwandten. Niemand schickte ihr Postkarten. Nur hin und wieder traf ein Brief von Dr. Moore ein oder eine Zeichnung von Raoul. Sie hoffte, daß der Junge Spaß hatte an den Rollschuhen und den Farben, die sie ihm geschickt hatte. Nur weil sie an solche Post dachte, machte sie sich die Mühe, in dem Briefkasten nachzusehen.
Manchmal gab ihr das neue Gesicht, der neue Körper, das neue Leben das Gefühl, unbesiegbar zu sein. Sie hatte hoch gepokert und gewonnen. Ein anderes Mal, wie zum Beispiel jetzt, erschien ihr alles nur wie ein trügerisches Versprechen. Wie Jack and Jill und Sam. Ihr Magen krampfte sich vor Angst zusammen. Sie war zu alt und zu müde, um noch einen Neuanfang in Erwägung zu ziehen.
Jahne schalt sich selbst wegen ihrer morbiden Gedanken. Eine Folge von zuviel Alleinsein und Müdigkeit. Es hatte keinen Sinn, sich vor etwas zu fürchten, das sie gar nicht kannte. Sie war zu erschöpft, um momentan Freundschaften zu suchen. Die Arbeit strengte sie an. Und ständig Jahne Moore spielen zu müssen, forderte auch seinen Tribut.
Die Post brachte nichts Neues. Keinen Brief von Dr. Moore. Zwei Rechnungen, zwei Werbesendungen, Modekataloge. Doch dann sah sie einen großen cremefarbenen Umschlag. Handschriftlich adressiert. Aus L.A.
Sie warf die Post auf ihren Couchtisch und öffnete den großen Umschlag zuerst.
April Irons
bittet Sie herzlich, zu ihrer Einladung am
Dienstag nach Sonnenuntergang zu kommen.
Drinks und Abendessen.
Über die Anschrift war handschriftlich hinzugefügt worden: »Ich würde mich freuen, Sie bei mir begrüßen zu können. Bringen Sie einen Freund mit. April.«
Die mächtigste Frau von Hollywood schickt mir, Jahne Moore, eine Einladung und unterzeichnet sie selbst. Sie freut sich, mich zu sehen?
Jahne schüttelte den Kopf. Wie alles in Hollywood hörte sich auch das wie ein Märchen an. Hatte sie sich nicht gerade erst gewünscht, sie wäre nicht so allein? Ihr Wunsch war in
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