Die schoenen Hyaenen
allem fand Jahne die Arbeit vor der Kamera längst nicht so aufregend, wie sie das anfangs geglaubt hatte. Marty DiGennaro führte Regie. Darum war sie davon ausgegangen, daß die Serie in jeder Hinsicht überdurchschnittlich sein würde. Leider mußte sie feststellen, wie empfindlich eingeengt ein Regisseur arbeiten mußte. Das Drehbuch fand Jahne zum Beispiel fürchterlich. Ein ganzes Team schrieb die Dialoge auf niedrigem Niveau. Was herauskam, wirkte aufgesetzt, unausgegoren. Jahne hatte Mühe, den richtigen Einsatz zu finden. Sie begann einen Satz, Sharleen unterbrach, Lila beendete ihn. Das nennt man Kunst, dachte Jahne, nachdem sie das erstemal das Drehbuch gelesen hatte. Sie hoffte nur, daß es auf dem Bildschirm besser wirkte.
Inzwischen hatten sich die Charaktere der drei Hauptdarstellerinnen beim gesamten Team eingeprägt. So galt Jahne als intelligent, Lila als die mit dem meisten Sex-Appeal, Sharleen als Dummerchen. Weil Jahne über zehn Jahre jünger eingeschätzt wurde, wirkte sie übertrieben gescheit. Lila war sicher sexy, wenn auch nicht sinnlich. Die arme Sharleen konnte man nicht eigentlich dumm nennen. Sie hatte nur nicht viel kennengelernt in ihrem Leben. Die breite Masse bezeichnet fast immer die, die nicht weit herumgekommen sind als dumm.
Von den drei Frauen hatte es nur Lila geschafft, sich bei Marty einzuschmeicheln. Nachdem sie die ersten sechs Folgen gesehen hatte, wurde Jahne klar, daß Lila mit den meisten Nahaufnahmen und den besseren Texten bedient wurde. Die »kluge Jahne« blickte immer seltener in die Kamera und bekam immer weniger Text. Da man die meisten Dialoge ohnehin vergessen konnte, fiel Jahne der Witz von den beiden alten Frauen ein, die sich in der Lobby eines Hotels nach dem Abendessen unterhalten. Die eine Frau sagt: »Das Essen ist fürchterlich.« Die andere erwidert: »Ja, und dazu diese kleinen Portionen!« Jahnes Portion schlechte Texte nahm also ab. Sie gab zu, daß ihr das nicht recht war.
Nichts entsprach dem, was sie sich vorgestellt hatte. Nur bei ihren Gesprächen mit Mai von Trilling fühlte sie sich wirklich mit dem Showgeschäft verbunden. Inzwischen kannte Jahne Mais ganze Lebensgeschichte, wußte über ihre Liebschaften und ihre Leiden Bescheid. Jahne wurde nie müde, Mai zuzuhören, und Mai schien Gefallen daran zu finden, sich jemandem mitzuteilen.
Auch jetzt stand Jahne in der Kostümabteilung und besprach mit Mai die Kostüme für die nächste Woche. Mai hockte auf dem Boden und steckte einen Saum ab. Die Ersatznadeln klebten in ihrem Mundwinkel. »Darum hab ich ihn verlassen, meine Liebe. Was hätte ich sonst tun sollen? Er wäre doch nur auf meinen Erfolg eifersüchtig gewesen. Das hätte ihn vergiftet. Nach einer Weile hätte er ohnehin aufgehört, mich zu lieben.«
»Aber Sie haben ihn geliebt«, vergewisserte Jahne sich.
»Sicher. Er war die große Liebe meines Lebens. Und er liebte mich auch. Tat nicht nur so. Er liebte mich nicht nur auf der Leinwand, wie all die anderen danach. Schlimmer noch fand ich, daß manche mich mit dem Bild verglichen, das ihnen ein Film von mir vermittelte. Sie werden das auch noch erleben. >Ach, sie ist nicht so groß, wie ich dachte, ihre Zähne sind schlechter, sie ist dünner. Eigentlich hatte ich mir mehr von ihr versprochen.<« Mai lachte freudlos.
Es störte Jahne, die verrunzelte alte Mai auf dem Boden knien zu sehen, während sie von ihren ruhmreichen Jahren erzählte. Nun war Mai ein Nichts. Wie wurde sie mit ihrem Leben fertig? Doch diese Frage konnte Jahne natürlich nicht stellen.
Mai blickte auf. »Sie sind komisch. Ihre Augen sind zu alt für Ihr Gesicht.« Sie nahm die letzte Nadel aus dem Mund und steckte sie durch den harten Jeansstoff. Jahne spürte, wie es ihr kalt den Rücken hinunterlief. Hatte Mai sie durchschaut? »Sie denken ständig über etwas nach. Als fürchteten Sie sich. Aber über was denkt ein hübsches Mädchen nach? Ich habe erst nachgedacht, als ich vierzig war.«
»Das ist eben so eine Angewohnheit.« Jahne verließ den kleinen Podest vor dem Spiegel.
»Nein. Sie sind anders.«
»Inwiefern?« fragte Jahne beiläufig. Doch sie hatte Angst.
»Schon weil Sie mir erlauben, so etwas zu sagen. Das ist ungewöhnlich. Und Sie kommen zu mir, statt daß ich zu Ihnen kommen muß.«
»Sie erweisen mir doch einen Gefallen, nicht umgekehrt. Da ist es nur recht und billig, daß ich zu Ihnen komme.« »Törichtes Mädchen! Ein Gefallen, den man einem Star erweist, ist ein Vergnügen.
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