Die schoenen Hyaenen
eingefunden, Nachbarn, die es für ihre Pflicht hielten, der Verstorbenen ein letztes Geleit zu geben. Mary Janes Großmutter hätte diese Pflicht ihren Nachbarn gegenüber sicher nicht für nötig gehalten.
Nachdem die erste Schaufel Erde dumpf auf den billigen Fichtenholzsarg gepoltert war, bezahlte Mary Jane die Beerdigungskosten bei Mr. Robinson und stieg in ihren Mietwagen, den sie sich an sich nicht leisten konnte. Allein kehrte sie in das trostlose Bauernhaus zurück. Sie trank einen Schluck Whisky.
Danach noch einen und noch einen. Sie weinte. Doch nicht um ihre Großmutter, sondern um ihr eigenes verpfuschtes Leben. Sie war in das Zimmer ihrer Großmutter gegangen und hatte alle Tabletten, die sie dort auf dem Nachttisch fand, genommen und mit Whisky heruntergespült. Sie hatte nicht wieder aufwachen wollen, weil sie glaubte, nicht noch einen einzigen Tag ohne Zukunftsaussichten ertragen zu können. Mit vierunddreißig Jahren hatte sie ihre Scheibe vom Glück bereits erhalten und verbraucht. Sie hatte eine gute Rolle als Schauspielerin gehabt und einen Mann, der etwas Besonderes darstellte. Wenn es eine dicke, unattraktive Schauspielerin bis zu ihrem vierunddreißigsten Jahr nicht geschafft hatte, durfte sie sich von der Zukunft nichts mehr erwarten.
Leider hatte das Tablettenschlucken nichts gebracht. Sie, eine Krankenschwester, fand nicht das richtige Rezept für einen Selbstmord. Grotesk!
Keine gnädige Bewußtlosigkeit oder, noch besser, der Tod, schützte sie vor der häßlichen Umgebung, vor dem Schmutz, vor ihr selbst. Trotz aller Anstrengungen, dem allen zu entkommen, hatte sie es nicht fertiggebracht.
Sie durfte auf keinen zweiten Sam hoffen, auch auf keine neue Rolle wie die Jill oder einen Freund wie Neil.
Im Küchenschrank suchte Mary Jane nach etwas Eßbarem, mit dem sie ihren kranken Magen beruhigen konnte. In alten Einmachgläsern fand sie Trockenerbsen und -gemüse, seit Jahren gelagert. Endlich entdeckte Mary Jane Crackers. Sie wußte, daß das die einzige feste Nahrung war, die sie vertragen konnte. Mit der Plastikschachtel setzte sie sich wieder an den Küchentisch.
Der Kaffee dampfte in ihrer Tasse. Vorsichtig biß Mary Jane in einen Cracker. Er schmeckte schauderhaft. Sie spuckte den Bissen in den Ausguss. Dann nahm sie eine andere, scheinbar noch versiegelte Packung Crackers aus der gleichen Schachtel, stellte aber fest, daß auch die geöffnet worden war, wenn auch am falschen Ende. Und die Packung enthielt auch keine Crackers, sondern etwas Grüngraues.
Mary Jane dachte zuerst an eine Maus und ließ die Packung fallen. Doch nichts bewegte sich. Da untersuchte sie die Packung genauer und hielt die Luft an. Vor ihr lag ein Bündel Banknoten, mit einem Gummiband zusammenhalten.
Die Geldscheine waren so fest zusammengerollt, daß es eine Weile dauerte, bis es Mary Jane gelang, sie zu zählen. Es waren 637 Dollar. Wie erschlagen starrte Mary Jane auf den Schatz. Woher stammte das Geld? Offensichtlich hatte ihre Großmutter doch das Geld bewußt versteckt!
Was hast du damit anfangen wollen, Grandma, dachte Mary Jane. Und plötzlich weinte sie wirklich um die verrückte alte Frau. Sie trauerte um die verpaßten Gelegenheiten ihrer Großmutter, denn sie ging davon aus, daß sie ein Leben lang hatte dafür sparen müssen.
Inzwischen war der Kaffee nur noch lauwarm. Zum erstenmal in ihrem Leben dachte Mary Jane über die Einkünfte ihrer Großmutter nach. Sie hatte ja immer erklärt, bettelarm zu sein. Mary Jane erinnerte sich nur zu gut daran, wie Grandma darauf pochte, daß es nur der Güte ihres Herzens zu verdanken sei, daß sie Mary Jane durchfütterte, obwohl sie selbst kaum genug zum Leben hatte. Nun fragte Mary Jane sich, ob das alles gestimmt hatte. Zweifellos hatte Grandma eine Unterstützung für ihre minderjährige Waise erhalten. Der Großvater hatte bei der Eisenbahn gearbeitet. Hatte er nicht auch eine Pension bezogen? Erhielt Mary Janes Vater nicht eine Pension von der Armee, bei der er gedient hatte? Erst jetzt dachte sie darüber nach, daß die Großmutter auch Pachtgeld für das Weideland um das Haus bezogen haben mußte.
Wie eine Schlafwandlerin, die allmählich zu sich kommt, schüttelte Mary Jan.e den Kopf. Konnte da noch mehr sein?
Mary Jane riß alle vorhandenen Crackerpackungen auf. Sie fand nichts. Nur Verfall, Staub und Spinnweben. Nein, Grandma mußte tatsächlich bettelarm gewesen sein. Doch der Gedanke ließ Mary Jane nicht mehr los. Wenn es nun doch
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