Die schoenen Hyaenen
noch mehr Geld gab?
Mit zitternden Händen nahm sie jedes einzelne Glas aus dem Regal und untersuchte den Inhalt. In der hintersten Reihe fiel ihr ein verstaubtes Glas auf. Sie wusch die Schmutzschicht ab, öffnete das Glas und griff hinein. In eine Plastikfolie eingewickelt, fand sie eine weitere Rolle mit Geldscheinen. Sie zählte das Geld. Fast zweitausend Dollar!
Noch einmal setzte Mary Jane Kaffee auf. Ihr Herz klopfte wie ein Schmiedehammer. Wo soviel war, konnte noch mehr sein.
Beim Anblick der Geldscheine auf dem Küchentisch begriff Mary Jane endlich, daß ihre Großmutter sie nie geliebt hatte. Zwar hatte sie die Enkelin nach dem Unglück ins Haus genommen, doch geliebt hatte sie das Kind nie. Das erklärte im Nachhinein auch Mary Janes Gefühl, in diesem Haus nur geduldet gewesen zu sein. Mary Janes Bitten um etwas Geld für Kino oder Süßigkeiten waren stets mit der Bemerkung abgelehnt worden: »Jetzt, wo ich zwei Mäuler zu stopfen habe, können wir uns das nicht leisten. Schlimm genug, daß du mir zur Last fällst.«
Mary Jane schlug mit der Faust auf den Tisch. Die alte Frau hatte gelogen. Woher stammte das Geld? Sie stand auf und sah sich um. Warum waren die gespülten Suppendosen aufgehoben worden? Mary Jane stieß den Stapel um, so daß die Dosen über den Boden schepperten.
Verdammt, Grandma, ich habe dir doch nichts getan. Wie konntest du nur so gemein sein? Warum hast du mir kein winziges bißchen Liebe gegönnt?
Mary Janes Blick fiel wieder auf die Beulen in der Tapete über dem Ausguss. Sie nahm ein Messer und schnitt ein Viereck in das Papier. Behutsam löste sie die Tapete ab. Dahinter fand sie Papiere, wie sie als Schutzblätter in Fotoalben zwischengeheftet werden. Durch den dünnen Einband hindurch konnte Mary Jane sehen, daß es sich um Obligationen handelte. Sehr alte. Sie zählte sie, Elftausend Dollar!
Danach nahm sie das Haus systematisch auseinander. Das dauerte Stunden. Sie drehte jedes Bild um, untersuchte die Polster, die Bodenbretter, selbstverständlich alle vorhandenen Einmachgläser. Im Tiefkühlschrank entdeckte sie viertausend Dollar in einen Eisblock eingefroren. Im Badezimmer 760 Dollar in einer uralten Kleenex-Schachtel. Sie riß auf, zerschlug und durchwühlte alles in dem verkommenen kleinen Haus, in dem sie ihre Kindheit verbracht hatte. Dabei schluchzte sie haltlos.
Am Abend schleppte Mary Jane sich an Körper und Seele erschöpft mit siebenundsechzigtausend Dollar in bar und in Aktien auf ihr Zimmer. Im Vorbeigehen fiel ihr Blick auf den Thermostat, der, wie üblich, so niedrig wie möglich eingestellt war. Auch die unterkühlten Zimmer gehörten zu dem, worauf ihre Großmutter bestanden hatte. Energisch schob sie den Zeiger höher. Von nun an würde sie es wenigstens warm haben.
16.
Während meiner 25 Jahre als Journalistin in Hollywood habe ich, Laura Richie, eine unumstößliche Erkenntnis gewonnen. Es gibt Gesichter, die für die Kamera ideal sind. Die Persönlichkeiten verströmen etwas Lebendiges, das sich dem Betrachter mitteilt, und fesseln seine Aufmerksamkeit. Das ist nicht nur eine Frage des guten Aussehens, obwohl es hilft, fotogen zu sein. Doch es ist mehr, und man findet es viel seltener. Sophia Loren hatte das gewisse Etwas, Gina Lollobrigida nicht. Gary Cooper hatte es, Gregory Peck nicht. Burt Reynolds hatte es, Tom Selleck hat es nicht.
Man kann das nicht einstudieren oder erlernen. Es ist einfach da. Wie der Atem. Wieso? Warum? Das weiß niemand.
Es hängt auch nicht mit dem Talent eines Schauspielers zusammen. Es hat große Schauspieler gegeben, die über das gewisse Etwas nicht verfügten. In den dreißiger Jahren haben die Schencks, Goldwyns und Warners es »Star-Qualität« genannt, Wahrscheinlich trifft es das noch am ehesten. Und glauben Sie mir, lieber Leser, diese Eigenart ist seltener und wertvoller als ein schwarzer Diamant.
Lila parkte ihr Ford Mustang Cabrio hinter einem niedrigen grauen Gebäude in West-Hollywood. Im Gehen warf sie sich die Tasche über die Schulter. Sie hatte es gerade noch rechtzeitig geschafft. Unpünktlichkeit war ihr zuwider, besonders weil es dem Schauspiellehrer George Getz immer ein perverses Vergnügen bereitete, die Zuspätkommenden darauf hinzuweisen, daß sie dem »Ensemble« schadeten. Mit dieser hochtrabenden Bezeichnung meinte er seine Schüler.
Alle jungen Frauen begrüßten Lila freundlich. So war das auch im Westlake gewesen. Lila erfreute sich großer Beliebtheit, vielleicht weil sie
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