Die schoenen Hyaenen
sich einen Teufel um alle scherte.
Auf der Damentoilette bürstete sie ihr Haar, das der Fahrtwind im offenen Auto zerzaust hatte. Tante Robbie hatte Ken überredet, ihr seinen Wagen zu leihen. Dabei konnte Lila Fords generell nicht leiden und diesen noch weniger, weil die weinrote Lackierung nicht zu ihrem Haar paßte. Doch Bettler dürfen nicht wählerisch sein, wie sie sich sagte.
Bandie, eine Schauspielschülerin wie Lila, machte sich auch zurecht. »Stell dir vor, Lila«, erzählte Bandie aufgeregt, »ich habe einen Werbeauftrag bekommen. Eine landesweite Werbung. Ich kann es noch gar nicht fassen. Unter sechzehn Bewerberinnen habe ich den Spot bekommen.«
»Gratuliere!« Obwohl Lila dringend Geld brauchte, würde sie sich nie für einen Werbespot hergeben. Daß ihre Klassenkameradinnen das anders sahen, wußte sie. Und die anderen hatten insofern recht, als ein national ausgestrahlter Spot eine ganze Weile die finanziellen Aufwendungen abdeckte — für Schauspiel-, Sprech-, Gesangs- und Tanzunterricht, für Kleidung, Auto, Körperpflege, Trainer, Zahnarzt, Friseur und hier und da eine kleine kosmetische Nachbesserung. Bandie und die meisten anderen Schülerinnen hielten Werbeaufnahmen für eine schauspielerische Tätigkeit. Wahrscheinlich brachten sie alle es auch nie weiter. Lila schauderte allein bei dem Gedanken daran, daß sie Bodenpflege oder Duschgel im Fernsehen anpreisen müßte.
Lila erinnerte sich daran, daß ihre Mutter einmal so etwas hatte unterschreiben sollen. Werbung für ein Waschmittel mit Candy und Skinny. Theresa hatte getobt. »Stars haben weder etwas mit Wäsche noch mit Fernsehwerbung zu tun«, hatte sie ihren Agenten Ara Sagarian angeschrien.
Jetzt war die Puppenmutter eine miese Intrigantin, eine Alkoholikerin, eine Nervensäge und hysterisch obendrein. Immerhin war sie einmal ein Star gewesen. Das war auch Lilas Ziel: ein Star zu sein, der nie Geld bei sich trägt, stets in einer Limousine vorfährt, nie selbst eine Tür öffnet, nie eine Bitte um ein Autogramm abschlägt, sich stets an alle wichtigen Namen erinnert, nie ein Kleid in der Öffentlichkeit zweimal trägt, stets Abstand zum Personal wahrt, niemals Reservierungen selbst vornimmt, ihre Produzenten mit dem Vornamen anredet. Ein Star steuert auch nie ein Auto selbst, es sei denn, es handelt sich um eine ausgefallene Marke. Ein Star beschränkt sich auf seine Wohltätigkeitsarbeit und sieht sich die Auftritte anderer Stars an, kommt spät, geht zeitig, kennt sich mit Verträgen aus und weiß sich stets im Rampenlicht.
Lila wollte übrigens noch mehr. Sie wollte berühmter werden als ihre Mutter. Darum kamen Werbespots schon gar nicht in Betracht.
»Für welches Produkt wirbst du den?« erkundigte Lila sich freundlich, obwohl es sie nicht interessierte.
»Ein neuartiges Toilettenpapier«, erklärte Bandie triumphierend.
Heiliger Strohsack, dachte Lila. Doch sie gratulierte Bandie, weil diese das erwartete.
»Ich habe Mr. Getz sofort angerufen. Er ist sehr stolz auf mich.«
Toll. Der Leiter der Theaterschule war also stolz, weil eine seiner Schülerinnen Klopapier verkaufte! Lila seufzte. Robbie hatte felsenfest behauptet, daß Getz Verbindungen habe. Und irgendwo mußte Lila schließlich anfangen.
Lila sah sich in dem Proberaum der Theaterschule um. Nur schöne Männer und Frauen. Die bestaussehenden Models und Dressmen aus Amerikas Provinz. Sie alle wollten nach L.A. Ihr Aussehen hatte es ihnen ermöglicht, dem Provinzmief zu entfliehen. Doch in Hollywood reichte das nur zu einem Job als Kellnerin oder Parkwächter.
Eine Tür wurde geöffnet. Herein kam ein etwa fünfzigjähriger Mann mit Bauch, langem grauen Haar, das er im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Einige der neuen Schüler klatschten. George Getz ließ sich schwerfällig auf einem Kissen nieder, das ihm einer der Schüler brachte. Im Halbkreis gruppierten sie sich um ihn. Lila betrachtete George, wie er im Schneidersitz seine Notizen durchlas. Sein Bauch ruhte auf den Beinen, weiße, magere Beine, die wie Streichhölzer aus den khakifarbenen Safarishorts herausragten. Sein T-Shirt trug die Aufschrift »Rettet die Wale«. Die Gläser seiner randlosen Brille ließen die kleinen Augen riesengroß erscheinen.
Tante Robbies Ansicht nach brauchten Theaterlehrer ihren Schülern nicht viel beizubringen. Entweder konnte man spielen, oder man konnte es nicht. Es lief also nur darauf hinaus, daß der Lehrer noch einige Tricks des Gewerbes
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