Die schoenen Hyaenen
»Marty ist eine Genie. Und Marty verlangt drei unbeschriebene Blätter. Frische Gesichter. Bringen Sie mir nicht diese sechsundzwanzigjährigen Tussies, die sich seit zehn Jahren durch ganz Hollywood gepennt haben. Marty will neue haben. Und was Marty will, will ich auch.«
Glick leckte sich über die dünnen Lippen. Er nickte nervös.
Im Zimmer herrschte Schweigen. Die jungen, durchgestylten kalifornischen Billig-Agenten sahen auf ihren Schoß. Suchen sie die Antwort etwa an ihrem Schwanz? fragte Sy sich gereizt. Warum benutzen die Hurensöhne nicht mal ihren Kopf?
Milton Glick räusperte sich. »Ich glaube, wir können das schaffen, Sy.«
»Das bezweifle ich, wenn diese Scheiße hier die Ausbeute sein soll.« Sy wischte die Hochglanzfotografien mit der Hand vom Tisch, so daß einige Dutzend schöner, lächelnder Frauengesichter auf dem Boden landeten, und zerstörte damit viele Hoffnungen. Keiner rührte sich.
Sy Ortis war zweifellos der mächtigste Agent Hollywoods und einer der mächtigsten Männer der ganzen Film- und Fernsehindustrie überhaupt. Um das zu erreichen, hatte er gearbeitet, wie ein Tier, hatte geblutet und andere bluten lassen. Die meisten Menschen in Hollywood würden ihm liebend gern jeden nur denkbaren Gefallen erweisen. Doch jetzt saß er einem Haufen Schwachsinniger gegenüber, die er für ihre Talentsuche bezahlte, und was er bekam, konnte man vergessen.
Sy versuchte es noch einmal. Wieder betont langsam. »Sehen Sie, Marty DiGennaro hat noch nie fürs Fernsehen gearbeitet. Das soll die größte Show, der größte Trendsetter überhaupt werden. Er will etwas völlig Neues schaffen. Er nennt es eine Show mit >offenem Inhalt<. Der Sender gibt ihm dazu freie Hand. Man stelle sich vor: carte blanche!«
Sein Gesicht wurde rot, seine Stimme klang gepreßt. Er selbst hatte den Deal zwischen DiGennaro und dem Sender ausgehandelt, einen unglaublichen Deal, einen, den es noch nie gegeben hatte. Doch Marty hatte auch auf totaler Geheimhaltung bestanden. Das ärgerte Sy. Denn auf diese Weise gab es niemanden, der Sys Verhandlungsgeschick bewundern konnte. Es verursachte Sy körperliche Pein, daß nie jemand wirklich würdigte, was er erreichte. Sie nannten ihn den mächtigsten Mann hinter den Kulissen. Bei solchen geheimnistuerischen, verrückten Kunden wie Marty, mußte er sein Können unter Beweis stellen und durfte sich keine Schlappe erlauben.
Sy blickte in die besorgten Gesichter. Sie kotzten ihn an. Doch er mußte noch einen Versuch unternehmen. »Wir streben also etwas Neues an. Haben Sie das begriffen? Keine Sitcoms, keine abgewrackten Typen von Bierreklamen, keine grinsenden Hamburgerfresser. Wir reden hier über Marty DiGennaro, nicht über Roger Corman. Marty braucht für seine Produktion frisches Blut, und Sie erhalten Exklusivrechte, um ihm die zu besorgen. Begreifen Sie, was das bedeutet?«
Der kleine Mann atmete schwer. Das letzte hatte er geschrien. Plötzlich bekam er keine Luft mehr. Er nahm sein Spray aus Jacketttasche und sprühte es sich hektisch in den Mund. Tief sog er das Spray ein. Bloß jetzt keinen Asthmaanfall! Madre de Dios, das kommt alles von dem Streß. Der Smog in der Gegend half auch nicht gerade. Stadt der Engel! Was für ein Quatsch, dachte er gereizt. Bei dieser Luftqualität bekam hier nur der Todesengel Arbeit. Doch hier befand sich nun einmal die Industrie, und Sy war nicht ihr einflussreichster Vertreter geworden, indem er Bergluft in Arizona schnupperte.
Sy wußte, daß Milton und die schlechte Arbeit, die er bisher abgeliefert hatte nicht die Alleinschuld an der Misere trugen. Es lag an dem neuen Marty-DiGennaro-Projekt. Marty war Hollywoods angesehenster und erfolgreichster Filmregisseur. Er besaß Klasse und Geld. Und plötzlich kommt er auf den irren Gedanken, im Fernsehen mitzumischen. Fernsehen, das in der Unterhaltungsindustrie unter Billigware läuft. Doch Marty wollte es so. Obendrein hatte er die verschrobene Vorstellung einer nicht näher definierten Story von drei Mädchen ausgebrütet, die per Anhalter kreuz und quer durch Amerika reisen.
Marty hatte das so ausgedrückt: »Ich brauche Freiheit bei der Gestaltung der einzelnen Folgen. Vorher lege ich mich nicht fest. Mir hängen diese Fortsetzungsgeschichten zum Hals heraus. Ich will was Neues machen.«
Doch neu konnte auch riskant heißen, gefährlich und verlustbringend. Das wußte Sy Ortis. DiGennaro war für seine hohen Spieleinsätze und -verluste in Las Vegas bekannt. Das störte Sy
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