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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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lässt die Zwischentür aber angelehnt. Durch den Spalt dringt auf einmal wieder die Melodie des japanischen Eisenbahnliedes – doch diesmal übt er ganz bestimmt nicht, sondern gibt eine Darbietung, eine lebhaft beschwingte Darbietung.
    Das Telefon klingelt. TANA , ganz in seine Klänge versunken, kümmert sich nicht darum, also geht PARAMORE an den Apparat.
    PARAMORE Hallo… Ja… Nein, der ist momentan nicht hier, aber er kommt jeden Augenblick zurück… Butterworth? Hallo, ich habe den Namen nicht ganz verstanden… Hallo, hallo, hallo? Hallo?… Hach!
    Das Telefon weigert sich störrisch, auch nur einen weiteren Laut von sich zu geben. PARAMORE legt den Hörer auf.
    Just in diesem Augenblick lässt sich wieder das Droschkenmotiv vernehmen und bringt mit seinen Klängen einen weiteren jungen Mann; er trägt einen Koffer und öffnet, ohne zu läuten, die Haustür.
    MAURY in der Diele Ah, Anthony! Hallihallo! Er geht ins große Zimmer und sieht PARAMORE . Geht’s??
    PARAMORE ihn immer durchdringender anschauend Das ist doch – das ist doch nicht etwa Maury Noble?
    [345] MAURY Genau der. Er tritt näher, lächelt und streckt seine Hand aus. Wie geht’s dir, alter Junge? Hab dich schon seit Jahren nicht mehr gesehen.
    Irgendwie bringt er das Gesicht mit Harvard in Zusammenhang, ist sich aber nicht ganz sicher. Der Name, wenn er ihn denn je gekannt hat, ist ihm schon lange entfallen. Aber PARAMORE durchschaut sein Dilemma mit zartem Feingefühl und ebenso lobenswerter Großmut und bereinigt die Situation taktvoll.
    PARAMORE Hast du Fred Paramore vergessen? Wir waren doch beide beim guten alten Unc Robert im Geschichtsseminar.
    MAURY Nein, natürlich nicht, Unc – ich meine, Fred. Fred war – ich meine, Unc war ein netter alter Kerl, nicht wahr?
    PARAMORE nickt mehrere Male komödiantisch Ein Prachtkerl. Ein Prachtkerl.
    MAURY nach einer kurzen Pause Ja – wirklich. Wo steckt Anthony?
    PARAMORE In irgendeinem Gasthaus, hat mir der japanische Diener gesagt. Zu Tisch, nehme ich an.
    MAURY sieht auf seine Uhr Schon lange fort?
    PARAMORE Ich denke schon. Der Japaner sagt, dass sie bald zurück sind.
    MAURY Wollen wir einen trinken?
    PARAMORE Nein danke, ich trinke keinen Alkohol. Er lächelt.
    MAURY Du hast doch nichts dagegen, wenn ich… gähnt, während er sich aus einer Flasche bedient Was hast du denn nach dem College so getrieben?
    [346] PARAMORE Ach, so mancherlei. Bin sehr rührig gewesen. Hab mich mal hier, mal dort herumgetrieben. Sein Ton lässt auf alles Mögliche schließen, von der Löwenjagd bis zum organisierten Verbrechen.
    MAURY Ah, auch in Europa gewesen?
    PARAMORE Das nicht – leider.
    MAURY Ich schätze, bald gehen wir alle rüber.
    PARAMORE Meinst du wirklich?
    MAURY Aber ja! Das Land hat jetzt schon mehr als zwei Jahre lang von Sensationen gelebt. Jetzt zuckt’s allen in den Gliedern. Wollen sich amüsieren.
    PARAMORE Dann glaubst du also nicht, dass Ideale auf dem Spiel stehen?
    MAURY Nichts wirklich Wichtiges. Die Leute brauchen hin und wieder Abwechslung.
    PARAMORE ernsthaft Finde ich sehr interessant, was du da sagst. Hab mich nämlich kürzlich mit einem Mann unterhalten, der drüben gewesen ist…
    Während des nun folgenden Berichts, dessen Ausschmückung mit Phrasen wie »hat mit eigenen Augen gesehen«, »Frankreichs heldenhafter Kampfesmut« und »Rettung der Zivilisation« dem Leser überlassen sei, sitzt MAURY mit gesenkten Augenlidern da, leidenschaftslos gelangweilt.
    MAURY bei der ersten sich bietenden Gelegenheit Übrigens, weißt du eigentlich, dass sich ausgerechnet in diesem Haus ein deutscher Agent aufhält?
    PARAMORE vorsichtig lächelnd Im Ernst?
    MAURY Ganz im Ernst. Halte es für meine Pflicht, dich zu warnen.
    PARAMORE bereits überzeugt Eine Gouvernante?
    [347] MAURY im Flüsterton, deutet mit dem Daumen auf die Küche Tana! Heißt in Wirklichkeit anders. Meinen Informationen zufolge bekommt er laufend Post, adressiert an Leutnant Emil Tannenbaum.
    PARAMORE lacht herzhaft-langmütig Du willst mich wohl auf die Schippe nehmen?
    MAURY Mag sein, dass ich ihn zu Unrecht beschuldige. Aber du hast mir noch gar nicht erzählt, was du so treibst.
    PARAMORE Zum einen – ich schreibe.
    MAURY Romane?
    PARAMORE Nein. Faktenliteratur.
    MAURY Was ist das denn? Bücher, die halb fiktiv sind, halb auf Fakten beruhen?
    PARAMORE Oh, ich beschränke mich auf Fakten. Ich tue auch ziemlich viel für die Wohlfahrt.
    MAURY Oh!
    Sofort leuchtet ein Verdacht in seinen Augen auf, gerade

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