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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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stehen weit offen und tauschen geduldig die von Alkohol und Rauch geschwängerte Zimmerluft gegen die frische Schläfrigkeit der heißen Spätdämmerung aus. Ersterbende Blumendüfte liegen in der Luft, so schwach, so zerbrechlich, als deuteten sie schon einen vor der Zeit abgelegten Sommer an. Noch aber verkünden tausend Grillen rund um die Seitenveranda unaufhörlich den August – dazu eine, die ins Haus eingedrungen ist und sich zutraulich hinter einem Bücherschrank verborgen hält, von wo sie hin und wieder ihre Klugheit und ihre unbezähmbare Willenskraft hinauszirpt.
    Im Zimmer selbst herrscht heilloses Durcheinander. Auf dem Tisch steht eine Schale mit echtem Obst, das künstlich wirkt. Ringsum findet sich ein seltsam arrangiertes Ensemble aus Karaffen, Gläsern und vollgehäuften Aschenbechern, aus Letzteren steigen noch immer wabernde Rauchleitern in die abgestandene Luft – zur vollen Wirkung fehlt nur noch ein Totenschädel, und das Ganze würde jener altehrwürdigen Chromolithographie ähneln, auf der mit schaurig-schöner Gefühligkeit die gesamte Staffage zu einem Leben des Genusses dargestellt ist – einst festes Zubehör einer jeden »Bude«.
    [342] Nach einer Weile wird das muntere Solo der Übergrille von einem neuen Klang eher unterbrochen denn begleitet – vom schwermütigen Gewimmer einer abgehackt spielenden Flöte. Offensichtlich übt der Musiker noch, statt vorzuspielen, denn von Zeit zu Zeit bricht die mürrische Tonfolge ab und setzt erst nach einer von unverständlichem Gemurmel erfüllten Pause wieder ein.
    Kurz vor dem siebten falschen Einsatz trägt ein dritter Laut zu dem gedämpften Missklang bei. Es handelt sich um eine Droschke vor dem Haus. Eine Minute Schweigen, dann wieder die Droschke, deren geräuschvolle Abfahrt beinahe das Schurren von Fußtritten auf dem Kiesweg übertönt. Alarmierend schrillt die Türglocke durchs Haus.
    Von der Küche her tritt ein kleiner, ermatteter Japaner ein, der sich hastig eine Hausdienerjacke aus weißem Leinen zuknöpft. Er öffnet die Fliegengittertür und lässt einen gutaussehenden jungen Mann von dreißig Jahren ein, der jene Art wohlmeinender Kleidung trägt, wie sie typisch ist für Leute, die der Menschheit dienen. Seiner gesamten Persönlichkeit haftet etwas Wohlmeinendes an: Der Blick, mit dem er sich im Zimmer umsieht, setzt sich aus Neugier und entschlossenem Optimismus zusammen; als er TANA betrachtet, lastet in seinem Blick die Pflicht zur moralischen Aufrüstung eines gottlosen Orientalen. Sein Name ist FREDERICK E. PARAMORE . Er war mit ANTHONY in Harvard, wo sie in den Seminaren wegen der Anfangsbuchstaben ihrer Nachnamen dauernd nebeneinandergesetzt wurden. Hieraus entwickelte sich eine flüchtige Bekanntschaft – doch seitdem sind sie sich nie wieder begegnet.
    [343] Nichtsdestoweniger betritt PARAMORE das Zimmer wie jemand, der den ganzen Abend zu bleiben gedenkt.
    TANA antwortet auf eine Frage.
    TANA mit einschmeichelndem Lächeln Gasthaus gehen fül Abendessen. Zulückkommen halbes Stunde. Seit halb sieben weg.
    PARAMORE sieht die Gläser auf dem Tisch Haben sie Gesellschaft?
    TANA Ja. Gesellschaft. Mistah Caramel, Mistah und Missays Barnes, Miss Kane, alle hiel.
    PARAMORE Soso. freundlich Wie ich sehe, haben sie sich ausgetobt.
    TANA Nicht velstehen.
    PARAMORE Sie haben’s ziemlich wild getrieben.
    TANA O ja, haben getlunken. Ganz viel getlunken.
    PARAMORE taktvoll das Thema wechselnd Habe ich bei meiner Ankunft nicht Musik gehört?
    TANA unter Kicheranfällen Ja, spiele ich.
    PARAMORE Eins von diesen japanischen Instrumenten.
    Ganz offensichtlich ist er Abonnent des National Geographic Magazine.
    TANA Spiele ich Flö-ö-öte, japanisch Flö-ö-öte.
    PARAMORE Welches Lied hast du denn gespielt? Eine von diesen japanischen Melodien?
    TANA Seine Stirn legt sich in die absonderlichsten Falten. Spiele ich Zuglied. Wie heißt? – Eisenbahnlied. So heißt in mein Land. Wie Zug. Macht so-o-o; das heißt Pfeife; Zug abfählt. Dann macht so-o-o; das heißt, Zug fählt. Fählt so. Sehl schön Lied in mein Land. Kindellied.
    [344] PARAMORE Hat sich sehr hübsch angehört.
    In diesem Augenblick wird offenbar, dass nur ein massiver Aufwand an Selbstbeherrschung TANA davon abhält, nach oben zu stürzen, um seine Postkarten zu holen, einschließlich der sechs in Amerika hergestellten.
    TANA Ich fül Gentleman Highball mixen?
    PARAMORE Danke, nein. Ich trinke keinen Alkohol. Er lächelt.
    TANA zieht sich in die Küche zurück,

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