Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
Vom Netzwerk:
schwankend fort, »ich fürchte, ich habe nicht einen Cent.«
    »Huh?«
    »Ich bin blank.«
    »Ach nee! Hast du mir nicht versprochen, die Sache zu regeln? Und wer soll jetzt das Taxi bezahlen?« Er drehte sich um und suchte Rückhalt bei dem Taxifahrer. »Haben Sie nicht auch gehört, dass er gesagt hat, er wird die Sache schon regeln? All das Gerede von seinem Großvater?«
    [568] »Umgekehrt«, murmelte Anthony unklugerweise, »du warst es, der die ganze Zeit geredet hat. Aber wenn du morgen vorbeikommen willst…«
    Da beugte sich der Taxifahrer aus seinem Wagen und sagte grimmig: »Ach, hau ihm doch eine, diesem dreckigen, schäbigen Mistkerl. Wenn er kein Saufbruder wäre, hätten sie ihn auch nicht rausgeschmissen.«
    Auf diesen Vorschlag hin schoss die Faust des Samariters wie ein Rammbock vor und schleuderte Anthony krachend auf die Steinstufen seines Etagenhauses, wo er reglos liegenblieb, während die hohen Gebäude über ihm hin und her schwankten…
    Nach einer langen Weile wachte er auf. Er spürte, dass es viel kälter geworden war. Er versuchte, sich zu rühren, aber seine Muskeln versagten ihm den Dienst. Merkwürdigerweise wollte er unbedingt die Uhrzeit wissen, als er jedoch nach seiner Taschenuhr langte, stellte er fest, dass die Westentasche leer war. Unwillkürlich formten seine Lippen die uralte Phrase: »Was für eine Nacht!«
    Seltsamerweise war er beinahe nüchtern. Ohne den Kopf zu heben, blickte er auf zum Mond, der mitten am Himmel verankert war und sein Licht in die Claremont Avenue wie auf den Grund eines tiefen und unvermessenen Schlundes ausströmte. Abgesehen von dem fortwährenden Summen in seinen Ohren war kein Laut zu hören, kein Lebenszeichen, doch nach einem Augenblick durchbrach Anthony selbst mit einem deutlichen und eigenartigen Gemurmel das Schweigen. Es war das Geräusch, das er vorher im Boul’ Mich’ andauernd hervorzubringen versucht hatte, als er Bloeckman von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand – [569] der unverkennbare Klang ironischen Gelächters. Aber auf seinen aufgeplatzten, blutenden Lippen war es wie ein jammervolles Würgen der Seele.
    Drei Wochen später ging der Prozess zu Ende. Der scheinbar endlose juristische Papierkrieg, bei dem viereinhalb Jahre lang jedes Blatt mehrfach umgedreht worden war, wurde plötzlich abgebrochen. Anthony und Gloria einerseits, Edward Shuttleworth und ein Aufgebot von Nutznießern andererseits sagten aus, logen und führten sich in verschiedenen Abstufungen der Habgier und Verzweiflung gemeinhin schlecht auf. Eines Morgens im März wachte Anthony auf und wurde sich bewusst, dass nachmittags um vier der Urteilsspruch ergehen sollte, und bei dem Gedanken stieg er aus dem Bett und begann sich anzukleiden. In seine äußerste Nervenanspannung mischte sich ein ungerechtfertigter Optimismus, was das Resultat anging. Er glaubte, dass die Entscheidung des niederen Gerichts umgestoßen werden würde, und sei es nur wegen der Reaktion, die aufgrund der Exzesse der Prohibition gegen Reformen und Reformer eingesetzt hatte. Er verließ sich mehr auf die persönlichen Angriffe, die sie gegen Shuttleworth gerichtet hatten, als auf die rein juristischen Aspekte des Verfahrens.
    Als er angekleidet war, schenkte er sich einen Whisky ein und ging in Glorias Schlafzimmer. Gloria war bereits hellwach. Sie hatte eine Woche im Bett zugebracht, um sich, wie Anthony glaubte, zu verwöhnen; der Arzt hatte allerdings geraten, sie lieber nicht zu stören.
    »Guten Morgen«, murmelte sie, ohne zu lächeln. Ihre Augen sahen ungewöhnlich groß und dunkel aus.
    [570] »Wie fühlst du dich?«, fragte er widerstrebend. »Besser?«
    »Ja.«
    »Viel besser?«
    »Ja.«
    »Fühlst du dich so weit wiederhergestellt, dass du heute Nachmittag mit mir aufs Gericht gehen kannst?«
    Sie nickte.
    »Ja. Ich möchte schon. Gestern hat Dick gesagt, wenn schönes Wetter ist, kommt er in seinem Wagen und fährt mich im Central Park spazieren – und schau her, das Zimmer ist schon ganz sonnig.«
    Anthony blickte mechanisch aus dem Fenster, dann setzte er sich aufs Bett.
    »Gott, bin ich nervös!«, rief er aus.
    »Bitte setz dich nicht hierher«, sagte sie hastig.
    »Wieso denn nicht?«
    »Du riechst nach Whisky. Ich kann das nicht ausstehen.«
    Geistesabwesend stand er auf und verließ das Zimmer. Etwas später rief sie nach ihm, und er ging aus und brachte ihr aus dem Feinkostgeschäft etwas Kartoffelsalat und kaltes Hähnchen.
    Um zwei Uhr fuhr Richard Caramels Wagen

Weitere Kostenlose Bücher