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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Kane, Muriel Kane. Sie ist so eine Art Ehrenschuld, glaube ich. Hat Gloria mal vor dem Ertrinken gerettet oder so ähnlich.
    ZWEITER JUNGER MANN Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie dieses ewige Hüftengewackel lange genug abstellen [204] kann, um zu schwimmen. Schenk mir doch mal nach, ja? Der Alte und ich haben gerade ein langes Gespräch über das Wetter geführt.
    MAURY Wer? Der alte Adam?
    ZWEITER JUNGER MANN Nein, der Vater der Braut. Er muss beim Wetteramt arbeiten.
    DICK Das ist mein Onkel, Otis.
    OTIS Na, ist doch ein ehrenwerter Berufsstand. Gelächter
    SECHSTER JUNGER MANN Die Braut ist deine Cousine, stimmt’s?
    DICK Ja, Cable.
    CABLE Jedenfalls eine Schönheit. Anders als du, Dick. Wetten, dass sie den alten Anthony kleinkriegt?
    MAURY Wieso erhält eigentlich jeder Bräutigam den Titel »alt«? Ich finde, die Ehe ist ein Irrtum der Jugend.
    DICK Maury, der professionelle Zyniker.
    MAURY Ach was, du geistiger Hochstapler!
    FÜNFTER JUNGER MANN Die Schlacht der Intellektuellen, Otis. Lies so viele Brosamen auf, wie du kannst.
    DICK Selber Hochstapler! Was weißt du denn schon?
    MAURY Was weißt du denn schon?
    DICK Frag mich irgendwas. Jedes Wissensgebiet.
    MAURY Gut. Nenn mir das grundlegende Prinzip der Biologie.
    DICK Weißt du ja selbst nicht!
    MAURY Nicht kneifen.
    DICK Also gut, natürliche Auslese?
    MAURY Falsch.
    DICK Ich gebe auf.
    [205] MAURY Ontogenese rekapituliert Phylogenese.
    FÜNFTER JUNGER MANN Ein Punkt für dich!
    MAURY Ich frag dich noch was. Welchen Einfluss haben Mäuse auf die Klee-Ernte? Gelächter
    VIERTER JUNGER MANN Welchen Einfluss haben Ratten auf die Zehn Gebote?
    MAURY Halt den Mund, du Einfaltspinsel. Da gibt es tatsächlich eine Verbindung.
    DICK Und worin soll die bestehen?
    MAURY verharrt einen Augenblick in wachsender Verwirrung Lass sehen. Den genauen Zusammenhang habe ich anscheinend vergessen. Irgend so was wie, dass die Bienen den Klee fressen.
    VIERTER JUNGER MANN Und der Klee frisst die Mäuse. Ha! Ha!
    MAURY stirnrunzelnd Lasst mich doch mal eine Minute nachdenken.
    DICK richtet sich plötzlich auf Hört mal!
    Im Nebenzimmer explodiert eine Salve an Geschnatter. Die sechs jungen Männer erheben sich und befingern ihre Krawatten.
    DICK gewichtig Wir schließen uns lieber dem Exekutionskommando an. Schätze, die bereiten das Hochzeitsfoto vor. Nein, das kommt erst später.
    VIERTER JUNGER MANN Bei Gott, ich wünschte, ich hätte das Geschenk geschickt.
    MAURY Gebt mir noch eine Minute, dann fällt mir die Geschichte mit den Mäusen wieder ein.
    OTIS Vergangenen Monat war ich Platzanweiser beim alten Charlie McIntyre und…
    [206] Langsam begeben sie sich zur Tür, das Geplapper wird zu einem wahren Babel, und ADAM PATCHS Orgel entringt sich in gedehnten frommen Seufzern die Einleitung zum Hochzeitsmarsch.
    Anthony
    Zweihundertfünfzig Augenpaare bohrten sich in den Rücken seines Cutaway, und auf den unangemessen bourgeoisen Zähnen des Geistlichen funkelte die Sonne. Mit Mühe unterdrückte Anthony ein Lachen. Gloria sagte etwas mit klarer, stolzer Stimme, und er versuchte zu denken, dass die ganze Angelegenheit unwiderruflich und jede Sekunde bedeutungsvoll war, dass sein Leben in diesem Augenblick in zwei Epochen zerteilt wurde und das Angesicht der Welt sich vor seinen Augen wandelte. Er versuchte, die ekstatische Empfindung von vor zehn Wochen wiedereinzufangen. Alle diese Gefühle entzogen sich ihm, er empfand nicht einmal die körperliche Nervosität, die er noch am Morgen empfunden hatte – es war alles ein gigantisches Nachspiel. Und diese Goldzähne! Er fragte sich, ob der Geistliche wohl verheiratet war; fragte sich auf verquere Weise, ob ein Geistlicher seine eigene Trauungszeremonie vollzog…
    Doch als er Gloria in die Arme nahm, wurde er sich einer starken Regung bewusst. Jetzt wallte das Blut in seinen Adern. Eine angenehm einschläfernde Wohligkeit legte sich wie ein Gewicht auf ihn und brachte ihm Verantwortung und Besitz. Er war vermählt.
    [207] Gloria
    So viele, so gemischte Gefühle, dass keines sich von den anderen scheiden ließ! Sie hätte weinen mögen, wegen ihrer Mutter, die drei Meter hinter ihr leise vor sich hin schluchzte, und wegen des lieblichen Juni-Sonnenlichts, das durch die Fenster hereinflutete. Ihr Bewusstsein nahm nichts mehr wahr. Sie hatte nur noch das von wild fiebernder Erregung durchglühte Gefühl, dass das letztlich Entscheidende stattfand – und das hell und leidenschaftlich wie ein Gebet in ihr brennende

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