Die schönste Zeit des Lebens
Haus begleitete, gingen sie zumeist schweigend nebeneinander her. Aber dann, vor ihrem Haus, als das Schweigen unerträglich wurde, da sagte er unvermittelt:
Du hast recht.
Was meinst du?
Das mit der Zeitungsausträgerin … das waren wir.
Und dann erzählte er ihr, wie sie bei lauter Musik durch die Nacht gefahren seien und dass plötzlich ein Fahrrad aufgetaucht sei, dass Andy noch versucht habe, das Steuer herumzureißen, dass es da aber schon zu spät gewesen sei, dass sie angehalten hätten, sogar ausgestiegen, dann aber doch weitergefahren seien, weil Andy seinen Führerschein nicht habe verlieren wollen, dass er, Robert, als er schon zu Hause gewesen, noch einmal zur Unfallstelle zurückgelaufen sei und gesehen habe, wie der Krankenwagen abgefahren sei.
Und darum warst du im Krankenhaus. Du wolltest wissen, wie es der Frau Lehmann geht.
Robert stand da, die Augen niedergeschlagen, nickte stumm.
In diesem Augenblick schlang sie ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn, zuerst auf die Stirn, dann auf den Mund.
Es klopft an seiner Tür. Mutters Stimme, Frühstück! ruft sie, und dann nach einer Weile noch einmal die Stimme der Mutter, weiter weg, auf der Veranda. Der Rasenmäher schweigt. Robert rührt sich immer noch nicht, hält die Augen geschlossen, weil er fürchtet, dass von seinem Glück nicht viel übrig bleibt, wenn er das Bett verlässt und diesen Tag betritt. Schließlich springt er doch aus dem Bett, zieht den Bademantel an und geht ins Bad. Misstrauisch betrachtet er sein Gesicht im Spiegel. Was ist mir zugestoßen? Ist es mir zugestoßen? Kann es sein, dass sie wirklich mich meint?
In der Küche ist niemand.
Wir sind hier, ruft die Mutter von der Veranda.
Die Eltern sitzen mit aufgeräumten Gesichtern am gedeckten Tisch und warten auf ihn. Ein Frühstück zu dritt, das hat es lange nicht mehr gegeben in diesem Haus.
Wir haben auch lange geschlafen, sagt die Mutter. Und du? Ich hab dich gar nicht heimkommen hören.
Ich war im Schock , sagt Robert. Kann schon sein, dass es spät geworden ist.
Der Vater sagt: Die Leberwurst musst du probieren. Ist von Großmann.
Einer jener Tage, an denen es so aussieht, als könne alles doch noch gut werden. Der Vater wie verwandelt, die Mutter auch. Robert sitzt da, den Kopf gesenkt, wirft ab und zu einen schnellen Blick zur Mutter, zum Vater hinüber.
Was hast du heute vor?
Die Frage der Mutter klingt beiläufig, nicht drängend wie sonst.
Weiß noch nicht, antwortet Robert. Wahrscheinlich geh ich nachher kurz zu Tom.
In seiner Hosentasche der Zettel mit ihrer Telefonnummer. Vielleicht sitzt sie in diesem Augenblick auch gerade beim Frühstück. Mit ihrer Mutter. Der Vater, das hat sie ihm erzählt, lebt in einer anderen Stadt, ihre Eltern sind geschieden. Seit mehr als drei Jahren. So viel weiß er mittlerweile über sie. Was weiß er noch? Robert stellt die Kaffeetasse auf den Tisch, streicht sich ein Brot mit Leberwurst und beißt hinein.
Schmeckt gut, sagt er kauend.
Leberwurst, sagt der Vater, als gehe es darum, einen ereignisreichen Vormittag zusammenzufassen, Leberwurst nur von Großmann.
Robert hat ihre Telefonnummer noch gestern Nacht in seinem Handy gespeichert. Er braucht nur eine Taste zu drücken, dann klingelt es bei ihr. Aber er zögert noch. Was soll er sagen, wenn sie abhebt? Hallo! Hallo! Und dann? Was, wenn ihre Mutter dran ist? Hier ist Robert. Kann ich mal Fari sprechen? Es kommt darauf an, es richtig zu machen. Das richtige Wort im richtigen Moment. Aber woher soll er wissen, wann der richtige Moment ist? Lange sitzt Robert auf seinem Bett, das Handy in der Hand. Schließlich ruft er Tom an: Was machst du heute?
Tom weiß nicht recht, hat nichts vor. Er wird nicht mit den anderen nach Dortmund in die Gruga fahren, das steht fest.
Und du?
Vielleicht komm ich nachher mal kurz bei dir vorbei, sagt Robert.
Als Robert schließlich doch bei Fari anruft, ist sie gleich dran.
Ausgeschlafen?, fragt sie. Und: Was machst du heute?
Weiß nicht. Und du?
Fari hat keine Pläne für den Tag, aber, wenn er wolle, könne er sie ja mal besuchen.
Wann?
Meinetwegen gleich.
Erst als er schon vor ihrer Haustür steht, fällt Robert ein, dass er nicht einmal weiß, wie sie mit Nachnamen heißt. Schmitz steht auf dem einen Klingelschild, auf dem anderen Sahabi . Nach kurzem Überlegen drückt Robert auf den Knopf bei Sahabi . Fari Sahabi, das kann er sich vorstellen. Aber Fari Schmitz? Als die Tür aufgeht, steht vor ihm eine elegant
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