Die schönste Zeit des Lebens
reglos auf den Anbruch der Dämmerung. Entleerte Zeit. Ist es das, was wir meinen, wenn wir Ewigkeit sagen? Alles um Robert dehnt sich ins Unendliche, dehnt sich aus und schrumpft in einem Punkt zusammen. Das ganze Universum in einem Punkt. Es ist etwas Ungeheuerliches in dem Gedanken, etwas Ungeheuerliches und Tröstliches zugleich.
Das Handy klingelt. Robert schaut auf die Uhr: halb zehn, und die Mutter immer noch nicht da.
Toms Stimme an seinem Ohr:
Wo bleibst du?
Wo seid ihr?, fragt Robert, obwohl die Musik im Hintergrund ihm eigentlich schon die Antwort gibt.
Na, im Schock natürlich. Wo sonst?
Okay. Ich komme.
Sagt es, setzt sich auf, schüttelt ein paar Mal den Kopf, als müsse er sich von lästigen Erinnerungen befreien, und bleibt dann doch noch eine Weile sitzen. Es ist schon fast zehn und draußen beginnt es zu dunkeln, als er schließlich nach seiner Jacke greift, die über der Stuhllehne hängt.
28
ALS ER ZUR TÜR HEREINKOMMT , sieht er sie sofort. Sie sitzt in einer Gruppe von Mädchen an einem der großen Tische und schaut genau in dem Augenblick zur Tür, als er hereinkommt. Für einen kurzen Moment treffen sich ihre Blicke. Er versucht ein Lächeln, weiß aber hinterher nicht recht, ob es ihm gelungen ist. Andy und Tom stehen am hinteren Ende der Theke, wo sie immer stehen. Sie winken ihm zu. Als er sich, ein wenig zögernd, zu ihnen gesellt, schiebt Momo ihm ein frisch gezapftes Bier herüber.
Andy ist heute in Spendierlaune, sagt er.
Robert nimmt das Glas, grinst zu Andy hinüber, trinkt einen Schluck.
Was is ’n los? Hast du Geburtstag oder was?
Nur so, sagt Andy. Spendierlaune. Kennst du das nicht?
Robert stellt erst den rechten, dann den linken Fuß auf die Stange, die unterhalb der Theke angebracht ist, stützt sich mit der Linken auf der Theke ab, während er mit der anderen Hand das Glas zum Mund führt, stellt das Glas ab, steckt die Hände in die Hosentaschen, steht auf den Zehen wippend zwischen Tom und Andy, schaut sich um, zieht den Reißverschluss seiner Jacke auf und wieder zu.
Was zappelst du denn so, fragt Tom.
Ich? Ich zappel doch nicht.
Aber natürlich weiß er, dass er lauter unsinnige Bewegungen macht und dass es daran liegt, dass hinter ihm, keine zwei Meter entfernt, sie mit ihren Freundinnen sitzt und er ihren Blick auf seinem Rücken fühlt, auch wenn sie ihn vielleicht gar nicht beachtet.
Und?
Andy grinst Robert an und macht eine Kopfbewegung zu dem Tisch hinüber, wo Fari sitzt.
Was und?
Robert tut so, als verstünde er nicht, was Andy meint.
Die Kleine von neulich sitzt da und wartet, dass du sie zum Tanzen aufforderst.
Bei der Scheißdiscomusik, sagt Robert.
Ab elf legt DJ Waco auf, sagt Tom. Dann hast du keine Ausrede mehr.
Martin und Sebo kommen. Sie wollen morgen nach Dortmund in die Gruga fahren, wo Helge Schneider auftritt. Ob sie nicht mitfahren wollen? Andy kann nicht, weil er Marita versprochen hat, ihr bei der Vorbereitung auf die theoretische Fahrprüfung zu helfen. Tom weiß nicht, will es sich überlegen.
Und du?, fragt Martin.
Was ist?
Robert hat gar nicht zugehört. Er hat nur immer daran gedacht, dass er jetzt eigentlich zu ihr hinübergehen und irgendetwas sagen, dass er sie zum Tanzen auffordern müsste, bevor sie womöglich geht oder ein anderer ihm zuvorkommt.
Ob er mitkomme in die Gruga?
Wann?
Morgen.
Ich nicht, sagt Robert. Ich habe Sonntag Dienst.
Was sind das bloß für Penner! Lauter Luschen. Kriegen den Arsch nicht hoch. Martin und Sebo machen sich auf, um andere Mitfahrer zu suchen.
Du warst im Krankenhaus, sagt Andy.
Ja, sagt Robert. Hat Tom es dir erzählt?
Klar, sagt Andy und strahlt. Hab ich doch immer gesagt. Die ist bald wieder okay.
Trotzdem …, sagt Robert.
Andy setzt sein Bierglas auf der Theke ab und schaut Robert an: Was trotzdem?
Es ist ein lauernder Unterton in Andys Stimme. Robert räuspert sich, seine Kehle ist trocken, er muss erst einmal einen Schluck aus seinem Bierglas nehmen.
Was trotzdem?, fragt Andy noch einmal. Aus dem lauernden Unterton ist ein drohender geworden.
Robert spürt, wie eine Taubheit sich in seinem Körper ausbreitet, wie damals, vor fünf oder sechs Jahren, als er zum ersten Mal in der Badeanstalt vom Dreimeterbrett sprang. Na los, rief der Bademeister, der die Fahrtenschwimmerprüfung abnahm, und als Robert, auf dem Brett stehend, sich umdrehte, sah er Andy und Sebo hinter sich, und Andy rief:
Na, was is? Haste Schiss?
Die Angst zu versagen und mehr noch die
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