Die schönsten Dinge
hatte plötzlich das Bedürfnis, sich auszuziehen, also waren wir eine Runde nackt baden«, sagt Daniel. »Das Wasser war so kalt, dass ich jetzt Sopran singen könnte.«
»Der Bach ist angestiegen, und die Rucksäcke sollten nicht nass werden«, erkläre ich. »Mit Nacktbaden hatte das nichts zu tun. Wir haben nur die Hosen ausgezogen. Mehr ist nicht passiert.«
»Mr Metcalf, Sir«, sagt Julius. Auch er gibt den perfekt zerknitterten Studenten, was ihm bei seinem sonst so eleganten Kleidungsstil wehtun muss. Er hat sich Sachen von Sam geliehen, die er nicht erst faltig und fleckig machen musste. Er läuft zu Daniel und hilft ihm mit seinem Rucksack. »Meine Kollegin und ich freuen uns wirklich auÃerordentlich, Sie wiederzusehen.«
Während Daniel abgelenkt ist, tuschle ich mit Greta über die Camper am Strand.
»Wir haben schon mit ihnen geredet«, sagt Greta. »Sie sind vor einer Stunde gekommen. Deutsche Rucksacktouristen, sehr nett. Sie haben Wein in Plastikbeuteln mitgebracht. Und zwar reichlich. Sie haben uns schon auf ein paar Gläser eingeladen. Aber ich habe gesagt, dass wir arbeiten. Sie wollen hier nur abhängen und schwimmen, die stören uns nicht.«
Wein in Plastikbeuteln klingt nach einer guten Idee. Schade, dass ich nicht darauf gekommen bin, aber eigentlich ist es egal, schlieÃlich waren die Weinflaschen in Daniels Rucksack. Ich sehe mich um. Daniel zieht gerade wieder seine Hose an.
Objektiv betrachtet wäre er wahrscheinlich attraktiv, wäre er nicht, wie Beau meinte, eine Legehenne. Ein Kunde. Greta grinst mich an. Mein Gesicht fühlt sich heià an, hoffentlich werde ich nicht rot. Ein Glück, dass uns die Rucksacktouristen keine Probleme bereiten werden, ich habe schon genug zu kämpfen.
In meiner Familie wird nicht gespart. Wir sind Grillen, keine Ameisen, wir legen nichts für schlechte Zeiten zurück. Vielleicht überfährt uns schon morgen ein Bus, sagt mein Vater immer, deshalb lassen wir es uns gut gehen, ohne an die Zukunft zu denken. Aber jetzt muss ich haushalten. Mein Vorrat an Wissenschaft beschränkt sich auf das, was ich mir ohne Ausbildung in vier Tagen in der Bibliothek aneignen konnte. Das muss für das ganze Wochenende reichen.
»Dr. Canfield«, sagt Julius. »Wir sind heute weit gelaufen, und dann haben wir auch noch das Lager aufgeschlagen. So gerne ich gleich mit der Arbeit anfangen würde, ich fürchte, vor lauter Erschöpfung könnte ich ein wichtiges Detail übersehen.«
»Aber Joshua, so weit war das doch nicht«, sage ich. »Das sind Sie doch gewohnt.«
»Es ist fast schon dunkel«, sagt Greta.
»Ist es nicht«, widerspreche ich. »Es ist noch Stunden hell.«
»Nicht mehr, wenn wir unsere ganze Ausrüstung ausgepackt haben«, sagt Greta.
»Ich helfe Ihnen«, bietet Daniel an. »Das ist kein Problem.«
Ich blicke demonstrativ hoch zum Himmel, auf meine Uhr, dann sehe ich meine Untergebenen an. »Na schön. Ich bin nach dem Marsch auch müde und verschwitzt. Heute Nachmittag ruhen wir uns aus. Und morgen legen wir in aller Frühe los.«
Julius und Greta jubeln, als wäre ich eine strenge Chefin, die ihnen selten freigibt. Daniel runzelt die Stirn.
»Aber nicht meinetwegen. Lassen Sie sich von mir nicht bremsen.«
»Dafür haben wir morgen genug Zeit«, sage ich. »Jetzt packen wir erst mal aus, gehen schwimmen und essen was Schönes. Entspannen wir uns.«
Wir ziehen uns um und gehen hinunter zum Strand. Im letzten Moment ziehe ich mein dreckiges T -Shirt über meinen Badeanzug. Ich gehe mit Greta vor, damit sie ihre Blicke nicht wandern lässt. Daniel und Julius folgen uns. Als wir an den Campern vorbeikommen, nicken sie uns zu und winken. Das Meer sieht hier anders aus als die Bucht in Melbourne, die matt gräulich ist wie russische Milch. Hier scheint es, als wäre es lebendig: Es ist mal grün, mal blau, dunkel und still. Der Sand ist weià wie Zucker und so fein, dass er quietscht. Greta und Julius waten bis zu den Knöcheln ins Wasser und kreischen wie kleine Kinder.
»Ach du ScheiÃe«, sagt Greta. »Da gehe ich nicht rein. Das Wasser muss direkt aus der Antarktis kommen.«
»Mir ist das auch tief genug. Wir Afrikaner sind ein anderes Klima gewohnt.« Julius deutet mit dem Kopf auf die Camper. »In diesem Wasser können nur Skandinavier
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