Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)
sauberem Kattunkittel und ebenso sauberer grobleinener Schürze, die Ärmel über seinen kräftigen jungen Armen aufgekrempelt, ging er direkt auf den Nachtstuhl zu, ohne Iwan Iljitsch anzusehen und offensichtlich bemüht, die sich in seinem Gesicht widerspiegelnde Lebensfreude zurückzuhalten, um den Kranken nicht wehmütig zu stimmen.
»Gerassim!«, rief ihn Iwan Iljitsch mit matter Stimme an.
Gerassim, der offenbar fürchtete, er habe etwas nicht richtig gemacht, zuckte zusammen und wandte sein jugendfrisches, treuherziges Gesicht, auf dem sich der erste Anflug eines Bartes zeigte, mit einer raschen Bewegung dem Kranken zu.
»Was belieben?«
»Ich denke, dir ist das unangenehm. Du musst schon entschuldigen. Ich kann es nicht allein.«
»Aber nein, Gott bewahre!«, sagte Gerassim, seine kräftigen weißen Zähne entblößend, und sah Iwan Iljitsch mit seinen leuchtenden Augen an. »Warum soll ich das für Sie nicht tun? Sie sind doch krank.«
Dann erledigte er mit gewandten, festen Griffen sein gewohntes Werk und ging mit leichten Schritten aus dem Zimmer. Nach fünf Minuten kam er mit ebenso leichten Schritten zurück.
Iwan Iljitsch saß noch in unveränderter Stellung im Sessel.
»Gerassim«, sagte er, nachdem dieser das gesäuberte, reingewaschene Geschirr wieder auf seinen Platz gestellt hatte, »komm doch mal her.« Gerassim kam zu ihm. »Hilf mir bitte aufzustehen. Mir fällt es schwer ohne Hilfe. Und Dmitri habe ich fortgeschickt.«
Gerassim trat zu ihm heran, und ebenso geschickt, wie er sich immer bewegte, umfasste er ihn mit seinen starken Armen, hob ihn vorsichtig auf und zog ihm, während er ihn mit der einen Hand stützte, mit der anderen die Beinkleider hoch. Dann wollte er ihn in den Sessel zurücksetzen, doch Iwan Iljitsch bat, ihn zum Sofa zu führen.
Anscheinend ohne jede Anstrengung und ohne ihn irgendwie zu drücken, führte ihn Gerassim zum Sofa und ließ ihn dort nieder.
»Ich danke dir. Wie geschickt und ordentlich du das alles machst…«
Gerassim lächelte wieder und wollte nun gehen. Iwan Iljitsch fühlte sich jedoch in seiner Gegenwart so wohl, dass er ihn noch nicht fortlassen wollte.
»Noch eins: Rücke mir bitte jenen Stuhl heran – nein, den dort –, damit ich die Beine darauflegen kann. Es tut mir gut, wenn die Beine erhöht liegen.«
Gerassim brachte den Stuhl, stellte ihn sachte, ohne irgendwo anzustoßen, vor das Sofa und hob Iwan Iljitschs Beine auf. Während Gerassim ihm die Beine hochhob, meinte Iwan Iljitsch eine Erleichterung zu verspüren.
»Ja, ich fühle mich besser, wenn die Beine angehoben sind«, sagte er. »Lege mir nun noch dieses Kissen unter.«
Gerassim tat es. Er hob nochmals Iwan Iljitschs Beine hoch, um das Kissen darunterzulegen. Und solange Gerassim die Beine in der Schwebe hielt, glaubte Iwan Iljitsch abermals eine Linderung seiner Schmerzen wahrzunehmen, die aber gleich wieder heftiger wurden, sobald Gerassim die Beine niedergelegt hatte.
»Gerassim, hast du jetzt etwas Zeit?«, fragte Iwan Iljitsch.
»Zu Befehl!«, antwortete Gerassim, der es im städtischen Haushalt gelernt hatte, mit Herrschaften umzugehen.
»Vielleicht hast du noch was zu tun?«
»Was hab ich schon viel zu tun? Ich bin schon mit allem fertig, nur noch das Holz für morgen muss ich zerkleinern.«
»Kannst du mir dann wohl die Beine eine Weile hochhalten? Sieh mal – so.«
»Warum denn nicht, das geht zu machen!« Gerassim hob Iwan Iljitschs Beine hoch, und diesem schien es, als spüre er in dieser Stellung überhaupt keinen Schmerz mehr.
»Und wie ist es mit dem Holz?«
»Belieben Sie sich nicht zu beunruhigen. Das schaffe ich schon noch.«
Iwan Iljitsch nötigte Gerassim, sich neben ihn zu setzen, und unterhielt sich mit ihm, während dieser seine Beine hochhielt. Und so merkwürdig es war: Er hatte das Gefühl, als ginge es ihm besser, solange ihm Gerassim die Beine hielt.
Fortan ließ Iwan Iljitsch Gerassim öfter zu sich kommen, legte ihm seine Beine auf die Schultern und hatte es gern, sich mit ihm dabei zu unterhalten. Gerassim entledigte sich seiner Aufgabe stets bereitwillig, gewandt und mit solcher Fürsorge, dass Iwan Iljitsch ganz gerührt war. Wenn Iwan Iljitsch sonst gesunde, kräftige und lebensfrohe Menschen sah, gab ihm das jedes Mal einen Stich ins Herz; einzig die Kraft und Lebensfreude Gerassims wirkte auf ihn nicht aufreizend, sondern im Gegenteil beruhigend.
Die allergrößte Qual für Iwan Iljitsch war die Lüge, diese offenbar von allen
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