Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
schauten ihn nur mit großen Augen an. Da rief das fremde Männlein aufgebracht:
„Was seid ihr für armselige Schlosser! Euer Lehrjunge ist geschickter als ihr alle zusammen!“
Da lachte der Meister, der das Talent seines Lehrbuben kannte, und spottete:
„Wenn mein Lehrbub das Schloss fertigstellt, dann soll er augenblicklich frei und Geselle sein.“
„Meister, es gilt!“, schrie der Junge und machte sich an die Arbeit.
Schon nach einer Stunde waren Ring, Schlüssel und Schloss fertiggestellt, und er ging mit dem seltsamen Auftraggeber, den der Bub nur zu gut kannte, zur Eiche. Dort legte er den Ring und das Schloss an und übergab dem roten Männlein den Schlüssel. Sogleich sperrte der mit dem Schlüssel zu, steckte sich ihn in die Tasche und verschwand. So nennt man den Baum heute noch den „Stock am Eisen“.
Der Meister hielt sein Wort und sprach den Jungen frei, und der ging nach altem Brauch als Geselle auf die Wanderschaft. Als er nach einigen Jahren wieder in seine Heimatstadt zurückkam, da hörte er davon, dass der Stadtrat dem Schlosser das Bürger- und Meisterrecht in Wien verleihen würde, der für das Schloss am Wiener Stock im Eisen den passenden Schlüssel fertigte. Der Geselle meldete sich sofort beim Stadtrat zum Dienst, schließlich hatte er das Schloss geschmiedet. Das war dem roten Männlein aber gar nicht recht und es sabotierte die Arbeit des Schlossers. Jedes Mal, wenn er den Schlüssel in die Esse legte, um den Schlüsselbart anzuschweißen, wurde der Bart wie von Zauberhand verdreht.
Da setzte der listige Schlosser schnell den Bart verkehrt herum an, und als die unsichtbare Hand ihn abermals umdrehte, hatte sie ihn in die richtige Position gebracht. Vor aller Augen wurde nun der Schlüssel in das Schloss gesteckt und er passte, das Schloss konnte auf- und zugesperrt werden, wofür der Geselle nun das Bürger- und Meisterrecht erhielt. Da jauchzte dieser laut auf, warf den Schlüssel voll Freude in die Luft und schlug zum Andenken einen Nagel in die Eiche. Der Schlüssel aber ist bis heute noch nicht heruntergefallen, und da er auch nicht mehr in der Luft hängt, wird ihn wohl eine unsichtbare Hand eingesteckt haben.
Der junge Schlossermeister wurde weit und breit bekannt und konnte sich vor Aufträgen fast nicht retten. Er war bald ein gemachter Mann und vergaß dabei nie, am Sonntag die Messe zu besuchen. Da er immer schon gerne gespielt hatte, ging er nun jeden Sonntagvormittag zum Stammtisch, um zu würfeln. Einmal aber war das Spiel so spannend und die Spielkollegen wollten ihn nicht gehen lassen. „Dann nimm doch die nächste Messe“, sagten sie ein ums andere Mal, und als er endlich auf dem Kirchhof von St. Stephan ankam, hatte der Priester bereits den Segen gespendet, die letzte Messe war versäumt.
Nun stand auch schon das rote Männlein da und nahm ihn beim „Krawattel“ mit und er fand ein schreckliches Ende. Die Leute, die ihn kannten und die davon hörten, die hatten großes Mitleid mit ihm, hatte er doch den Vertrag mit dem Teufel als junger Lehrbub geschlossen. So kam der Brauch auf, dass alle Schlossergesellen, die in die schöne Stadt Wien kamen, einen Nagel zu Ehren des geschickten und listigen Schlossermeisters in den Baumstamm schlugen. So wurde mit der Zeit und zunehmenden Nägeln im Stamm aus dem „Stock am Eisen“ der „Stock im Eisen“.
Andere wissen zu erzählen, dass ein armer Schlosserlehrling seinem Meister einen überaus kunstfertigen Nagel gestohlen hatte, der für das Jagdschloss Herzog Leopolds des Heiligen im Wienerwald verwendet werden sollte. Auf seinem Heimweg verirrte er sich im tiefen Wald. Immer und immer wieder kam er an diesem einen besonderen Baum vorbei, der ihm verriet, dass er schon seit Stunden im Kreis lief. Erschöpft und weinend setzte er sich nun an diesem Baum hin und ärgerte sich über den großen Fehler, den er begangen hatte. Nun wollte er den Nagel gar nicht behalten und schlug ihn in den Baum, an dem er schon seit Stunden immer wieder vorbeigekommen war – es war ihm gerade so, als wollte der ihn nicht vorbeilassen.
Und wie er den Nagel in den Baum geschlagen hatte, da stand der Teufel neben ihm und sprach:
„Den gestohlenen Nagel kannst du wohl einschlagen. Wenn du aber solch einen Nagel und ein Schloss um den Baum machen könntest, dann wäre dir geholfen.“
Der Junge erschrak zwar sehr, doch hatte er schon seit einiger Zeit begriffen, dass es hier nicht mit rechten Dingen zuging. Tapfer antwortete
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