Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
zu müssen, und gingen daher nicht weiter.
Am Dorfrand von Lofer lebte ein armes Ehepaar, welches zwei Kinder hatte. Da für die Familie das, was die Eltern verdienten, nicht zum Essen reichte, wurden auch die Kinder zur Arbeit geschickt, und so mussten sie in der Begleitung eines alten Bettlers in der Nachbarschaft herumgehen, um zu betteln. Nun führte der Alte die Kinder zum sogenannten Loferer Loch und sagte ihnen, dass sie dort hineingehen sollten. Er selber werde draußen auf sie warten, denn er könne nicht mit hinein, weil er da drinnen nur Wasser sehen konnte.
Die Kinder aber, die noch rein von Sünde waren, gingen trockenen Fußes durch den Felsengang und gelangten zu einem grünen Platz, auf welchem ein paar prächtige Häuser standen. Vor dem einen Haus stand ein schönes Fräulein, welches die Kinder baten, es möge ihnen für ihre armen Eltern daheim etwas schenken. Das schöne Fräulein blickte sie freundlich an, führte sie ins Haus und in ein fürstlich eingerichtetes Zimmer. Es gab ihnen zu essen und zu trinken und sprach:
„Für heute kann ich euch nicht mehr geben. Wenn ihr aber über Nacht bleibt, dann bekommt ihr morgen so viele Geschenke von mir, dass ihr gar nicht alles nach Hause tragen könnt. Und es wird so viel sein, dass ihr euren Eltern damit für Jahre helfen könnt – nur eines müsst ihr euch merken: In der Nacht werden fürchterliche Erscheinungen kommen, doch vor denen dürft ihr euch nicht fürchten, denn vergesst nicht, dass euer Schutzengel immer über euch wacht und ihr immer in Gottes Hand seid. Euch wird nichts geschehen und ihr könnt dadurch auch mich erlösen und ihr werdet später glücklicher als der Kaiser werden.“
Die armen Kinder versprachen, sich in der folgenden Nacht nicht zu fürchten und legten sich auch rechtzeitig in ihre schönen, weichen Betten, die im Zimmer des Fräuleins standen. Sie schliefen dann auch schnell ein, doch wurden sie Punkt Mitternacht durch heftiges Flammengeprassel geweckt und sahen das schöne Fräulein im Bett nebenan lichterloh brennen. Kaum waren die einen Flammen ausgebrannt, kam eine Geistergestalt und steckte sie wieder in Brand. So musste sich das Fräulein abermals in den Flammen vor Schmerzen wälzen und so ging es weiter und weiter, bis die Kinder nicht mehr zuschauen konnten, weil sie selber ohnmächtig wurden.
Als die Kinder am nächsten Tag erwachten, da war es schon lange hell und die Sonnenstrahlen fielen ins Zimmer. Ängstlich blickten sie zu dem Bett des Fräuleins, wo sie in der Nacht so furchtbare Szenen mit angesehen hatten, doch nun stand es blendend weiß da und im ganzen Zimmer konnten sie keinerlei Brandspuren sehen. Nun stand auch die Schöne bereits neben ihnen.
„So wie in der letzten Nacht, so ergeht es mir jede Nacht. Nur ihr unschuldigen Kinder könnt mich von meinen nächtlichen Qualen erlösen!“
Das Fräulein nahm nun die Bettelsäcklein der Kinder, in die für gewöhnlich das erbettelte Mehl hineinkam, und füllte sie mit Goldstücken.
„Nun geht nach Hause und gebt euren Eltern das Gold. Dem bösen Bettler aber, der noch vor dem Eingang auf euch wartet, dem dürft ihr nichts geben und nichts vom dem, was ihr erlebt habt, erzählen!
Kommt in dreimal sieben Tagen wieder und wir werden weiter über meine Erlösung reden.“
Sie begleitete die Kinder wieder aus der Höhle hinaus, nahm aber wohlweislich einen anderen Ausgang, sodass der alte Bettler davon nichts mitbekam. Eilig liefen die Kinder nach Hause zu ihren Eltern. Von nun an erkannte man ihr altes Elternhaus nicht mehr wieder, alles wurde anders. Die Zimmer wurden neu eingerichtet, Speck hing im Rauchfang, Schmalz gab’s in der Küche genug und Freude herrschte im ganzen Haus. Auch die Armen wurden von ihnen gut bedacht, nur der böse Bettler nicht. Der alte Bettelmann verstand es aber, bitterlich zu weinen und sprach immer wieder:
„Ja, ja, Undank ist der Welten Lohn! Ich habe die Kinder zum Schatz geführt und ich bekomme nichts. Ihr geht jeden Abend mit satten Bäuchen ins feine, warme Bett und ich kann hungern und darben. Den anderen aber, die euch nicht geholfen haben, denen gebt ihr. Feine Christenmenschen seid ihr!“
Das konnten sie nicht mehr länger ertragen und gaben auch ihm eine stattliche Summe vom Gold.
Als dann nach dreimal sieben Tagen die Kinder wieder zur Höhle gingen, da fanden auch sie die Höhle voller Wasser. Sie konnten keinen Schritt vorwärts gehen, sonst wären sie ertrunken – vor der Höhle aber
Weitere Kostenlose Bücher