Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
seiner Gutmütigkeit geworden.
In einer Zeit der Intrigen und der Unruhen konnte der Grasel nur durch einen kühnen Plan des Drosendorfer Justizbeamten Franz Joseph Schopf gestellt werden, der von seinem Informanten David Mayer den entscheidenden Hinweis bekommen hatte. Am 18. November 1815 konnte der gefürchtete Räuber in einem kleinen Gasthaus in Mörtersdorf bei Horn verhaftet werden.
Grasel und seine Spießgesellen wurden am 31. Jänner 1818 in Wien vor einer riesigen Menschenmenge durch den Strang hingerichtet. In der Erinnerung lebt er als edler oder gerechter Räuber weiter, der die Reichen bestahl und mit der Beute die Armen beschenkte.
Die Speckseite im Roten Turm
Wie jede Stadt im Mittelalter, so war auch Wien von einer Stadtmauer mit Stadtgraben umgeben, die an mehreren Seiten bewachte Stadttore hatte und noch dazu mehrere Türme. Einige sind heute noch bekannt, wie der Kärntnerturm, der Rote Turm, Stubenturm, Widmerturm und Schottenturm. Am Stubentor war der Schutzpatron der Reisenden angebracht, der heilige Christophorus, der Kärntnerturm war der massivste und beherbergte ein Gefängnis; mit dem Roten Turm hatte es aber etwas ganz Besonderes auf sich – dort hing eine Speckseite.
Auch ein sagenhaftes Ereignis war an diesem Turm der Stadtmauer dargestellt:
Herzog Leopold V. von Österreich hatte nämlich den gefangen gehaltenen König von England, Richard Löwenherz, gegen Lösegeld wieder freigegeben. Und von diesem Lösegeld soll der Turm gebaut worden sein. Die oben erwähnte Speckseite aber, die bald zu den Wahrzeichen Wiens gehörte, hing innen im Torgewölbe.
Den Wienern wurde schon immer gern nachgesagt, dass sie Pantoffelhelden seien und die Frauen das Sagen über ihre Männer hätten, und das wurde „dem starken Geschlecht“ doch irgendwann einmal zu viel. Einige Männer gingen zum Stadtrat und beklagten sich über die gemeinen Reden und die Beleidigung ihrer Ehre. Es sei nun am Stadtrat, dieser Ehrabschneidung Einhalt zu gebieten, denn keiner der Wiener Männer wollte länger als Feigling betitelt werden. Da ließ der Stadtmagistrat eine geräucherte Speckseite unter das Torgewölbe des Roten Turmes hängen und zwei große Schrifttafeln daneben. Auf der einen stand geschrieben, dass die Speckseite von dem Mann abgenommen werden dürfe, der ohne zu lügen sagen konnte, dass er niemals seine Heirat bereut oder sich vor seiner Frau gefürchtet hatte.
Auf der anderen Tafel stand, dass der Mann, dessen Frau oft handgreiflich gegen ihn wäre und der mit kaltem Seifenwasser den Kopf gewaschen bekäme, die Speckseite hängen lassen und seiner Frau etwas anderes mit nach Hause bringen sollte.
Auch wurde in der ganze Stadt Wien verkündet, dass die Speckseite im Roten Turm aufgehängt worden war und was es damit auf sich hatte. Zusätzlich sollten die Männer auch noch dokumentieren, wer das Wort im Hause führte. Aber siehe da, nichts war mehr von dem besonderen Anliegen der Männer zu hören, und keiner ging zum Roten Turm, um den Speck abzunehmen.
Endlich kam ein schneidiger, junger Ehemann, dessen Flitterwochen noch nicht lange her waren und verkündete, dass er bei sich der Herr im Haus sei. Er kam deshalb mit einer Leiter und rief die Passanten als Zeugen zusammen, dass er jetzt die Speckseite herunterholen werde. Wie er nun an diesem heißen Sommertag auf die Leiter kletterte und die fettige, schmalzige Speckseite im Gewölbe abnehmen wollte, da kletterte er schnell wieder hinab, zog seine Jacke aus und wollte schnell wieder hinauf. Da hielten ihn die anderen Männer auf und fragten, was das solle.
„Ich habe nur schnell meine neue Jacke ausgezogen, denn sonst wird mir meine Frau was erzählen, wenn ich mit Fettflecken nach Hause komme.“
Da lachten die Zuschauer laut auf, und ihm selber kam jetzt erst zum Bewusstsein, was er gesagt hatte. Von den Umstehenden wurde er mit „Aufschneider“ und „Pantoffelritter“ beschimpft und die anderen nahmen ihm die Leiter weg.
So blieb die Speckseite noch ein paar hundert Jahre hängen und wurde schließlich zum Wahrzeichen. Als dann der Rote Turm im Jahr 1776 geschliffen wurde, konnte endlich auch die Speckseite aus gutem Grund abgenommen werden.
Schreckwalds Rosengarten auf Aggstein
Auf der 320 Meter über der Donau liegenden Burg Aggstein, die zu Beginn des 12. Jahrhunderts erbaut wurde, hauste einmal ein finsterer Räuber, der die ganze Gegend unsicher machte. Sein Name war Jörg Scheck von Wald, von den Leuten wegen seiner
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