Die Schokoladendiät
hatte er lange nicht mehr gemacht. «Ich pass auf dich auf.»
«Dann muss ich auch nicht mehr so traurig sein.» Nadia drückte ihn an sich.
«Daddy hätte die viele Schokolade heute sicher gemocht.»
«Ja», stimmte Nadia ihm zu. «Das hätte er.» Sie schaute in das ängstliche kleine Gesicht ihres Sohnes und wusste, dass sie für ihn stark sein musste. Sie fuhr ihm sanft mit dem Daumen über die Wange. «Wir können über Daddy reden, so oft du willst. Wenn du ihn vermisst, sprechen wir einfach ein bisschen über ihn – über Sachen, die ihm gefallen hätten oder die er gemacht hätte, und dann geht’s uns gleich viel besser.»
«Okay.» Lewis zuckte die Achseln. Er schien mit dieser schlichten Lösung zufrieden zu sein. «Können wir jetzt wieder auf die Party gehen?»
«Tanzt du dann auch mit Mummy?»
«Glaubst du, der Mann spielt das Bob-der-Baumeister-Lied?»
«Wahrscheinlich nicht», zögerte Nadia. «Ich hatte eher auf George Michael gehofft.»
«Wer soll das denn sein?», fragte Lewis und sah sie entrüstet an.
76
Als
ich aus Marcus’ Zimmer nach unten komme, ist die Party bereits in vollem Gange. Ich versuche, nicht daran zu denken, dass Marcus jetzt seine Tasche packt und ohne mich in die Flitterwochen startet. Die Musik hämmert, der Tanzboden ist voll, und die Leute benehmen sich immer ungenierter – man könnte wirklich meinen, es handele sich um eine ganz normale Hochzeit.
Meine Mum und mein Dad tanzen miteinander – was eine Art kleines Wunder ist, da sie das in ihrer ganzen Ehe noch nie getan haben. Sie drehen sich im Takt zu «I Will Survive» – damit liegt man bei einer Hochzeit nie verkehrt –, und meine Mutter singt die Worte fast eine Spur zu begeistert mit.
Der Millionär
und
Die Friseuse
sind nirgends zu sehen. Clive und Tristan eilen herbei. In ihrem Partnerlook mit cremefarbenen Leinenanzügen und schokoladenbraunen Hemden sehen sie prächtig und durch und durch schwul aus. Sie sind der Elton John und David Furnish der Schokoladenwelt. Ob dieser ganze Hochzeitsklimbim sie vielleicht motiviert, sich auch das Jawort zu geben? «Wie geht es dir, Darling?», fragt mich Clive.
«Ganz okay», antworte ich mit einem wohlüberlegten Nicken.
«Unsere wunderbare Hochzeitstorte wirst du ja wahrscheinlich nicht anschneiden wollen, oder?»
«Warum eigentlich nicht? Ich meine, warum sollte ich mir einen Schokoladenkuchen entgehen lassen?» Ich zucke die Achseln. Den Brautstrauß werde ich wahrscheinlich nicht werfen, aber für alles andere bin ich zu haben. Mein Blutzuckerspiegel könnte einen kleinen Kick jedenfalls gut gebrauchen. Außerdem ist der fünfstöckige Schokoladenkuchen, dekoriert mit weißer Schokolade und glasierten Kumquats, das Hochzeitsgeschenk der beiden an mich. Könnte ich es ihnen da wirklich antun, dieses Kunstwerk nicht anzuschneiden? «Besorgt mir ein scharfes Messer, aber passt auf, dass uns Marcus nicht in die Quere kommt.»
Clive umarmt mich. «So gefällst du mir.»
Fünf Minuten später bringt mir Jacob das Messer. Seine Stirn ist in besorgte Falten gelegt. «Glaubst du wirklich, dass das eine gute Idee ist?»
«Es wird Clive und Tris sehr glücklich machen», antworte ich. «Außerdem wäre es eine Schande, diesen großartigen Kuchen verkommen zu lassen. Sollen unsere Gäste doch lieber etwas davon haben.»
«Ich könnte ihn in aller Stille forttragen und aufschneiden lassen», schlägt er vor.
«Nein. Ein bisschen Brimborium sollte schon sein. Clive hat sich eine Riesenmühe damit gemacht. Es wäre nicht nett, den Kuchen heimlich rauszuschaffen und ihm das allgemeine Lob vorzuenthalten.»
«Wenn du wirklich meinst», seufzt Jacob.
Ich nicke.
«Dann mache ich jetzt die Ankündigung.» Jacob tritt ans Mikrophon. «Ladys and Gentlemen», setzt er an. «Bittetreten Sie näher, denn der Kuchen wird jetzt angeschnitten.»
Erst als sich das gesamte Publikum dicht um den Kuchen gruppiert hat, reicht Jacob mir das Messer. Da der Fotograf inzwischen weggeschickt wurde, muss ich wenigstens nicht für alberne Fotos posieren. «Clive.» Ich winke den Schöpfer dieses Schokoladentraums heran. «Komm, lass uns das gemeinsam machen.»
Mein Freund legt die Hand auf meine und wirft mir zum Scherz einen schmachtenden Blick zu. Nur einen Moment lang spüre ich einen schmerzlichen Stich, weil ich daran denke, dass ja eigentlich Marcus jetzt neben mir stehen müsste. Dann stoßen Clive und ich das Messer in die köstliche Glasur und den weichen Biskuitteig
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