Die Schokoladendiät
abfliege, kaum dass er auf heimatlichem Boden gelandet ist.
Auch wenn das schrecklich feige von mir ist, bin ich dagegen zu einem bestimmten Teil sogar richtig froh, mitdieser Reise meiner vertrackten Lage entfliehen zu können. Nichts könnte mir im Moment zuträglicher sein, als meine Sorgen in einem Bad aus Schokolade zu ertränken.
Genau wie ich kann Mr. Sexy es kaum erwarten, unsere Beziehung wieder in Gang zu bringen, und deshalb versteht er meine Zurückhaltung nicht. Aber vielleicht ist er ja nicht mehr ganz so verliebt, wenn er herausfindet, dass ich während seiner Abwesenheit ein – wirklich nur ganz kurzes – Techtelmechtel mit meinem Ex-Freund hatte. Auch wenn es dafür mildernde Umstände geben müsste, denn es war Weihnachten, alles war grässlich, und ich habe es noch nicht einmal genossen – also zumindest nicht besonders. Es war nicht so sehr Begehren als das alte Gefühl der Vertrautheit, das mich in Marcus’ Arme getrieben hat. Eher Einsamkeit als Liebe. Aber welche Entschuldigungen ich mir auch immer zurechtlege, es ist mir trotzdem entsetzlich peinlich. Und außerdem habe ich einen Ausschlag gekriegt. Glücklicherweise nur am Rücken. Bei Marcus’ Vorgeschichte hätte das auch viel schlimmer ausgehen können, glauben Sie mir.
Weil ich noch nicht wusste, wie ich Aiden meinen Betrug am besten beichte, habe ich ihn in den letzten Tagen auf Abstand gehalten. Erzählen muss ich es ihm aber in jedem Fall. Ich möchte, dass wir wieder bis über beide Ohren ineinander verliebt sind – und da haben Geheimnisse zwischen uns nichts verloren. Vielleicht zeigt er sich ja sogar verständnisvoll, wenn ich es ihm nur richtig darstelle. Hätte er denn gewollt, dass ich Weihnachten ganz allein bin? Angesichts der Alternative wahrscheinlich schon. Ich habe solche Nummern ja selbst jahrelang erlebt, da weiß ich genau, wie beschissen man sich fühlt. Nun, ich habe ja jetzt einen langen Flug vor mir, bei dem ich genau über mein Vorgehen nachdenken kann.
Ich sehe die anderen Mitglieder des Schokoclubs auf mich zukommen, schwer mit Koffern und Taschen beladen, obwohl wir doch nur ein paar Tage verreisen und die meiste Zeit nackt unter Schokoladenpackungen liegen werden. Nadia hat Lewis bei Toby zurückgelassen, fast unter Tränen, denn sie hat ihren Sohn noch niemals mehrere Tage aus ihrer Obhut gegeben. Wieder einmal ist sie Chantal zu Dank verpflichtet, die ihre Rechnung übernimmt. Alle sind bester Laune, und ich spüre, wie ich Mut schöpfe.
«Ich sollte jetzt wohl gehen», seufzt Mr. Sexy.
Ich nicke. «Ja klar, kein Problem.»
«Viel Spaß. Ich liebe dich», sagt er. «Das weißt du.»
«Aiden …» Aber bevor ich noch etwas antworten kann, stürzen sich schon Nadia, Chantal und Autumn auf mich. Die drei strahlen um die Wette und sind vor Aufregung ein bisschen überdreht.
«Das hier ist Aiden», stelle ich vor, obwohl das eigentlich ohnehin jedem klar ist.
«Ah, das ist also der berühmte Mr. Sexy», begrüßt ihn Chantal.
Aiden blickt mich fragend an. «Mr. Sexy?»
«Na ja, die Mädels haben mich früher immer aufgezogen, weil ich dich so sexy fand», erkläre ich widerwillig.
«Mr. Sexy.» Er lacht und wirft mir einen nachsichtigen Blick zu.
«Wie schön, Sie einmal kennenzulernen», sagt Autumn. «Hoffentlich werden wir Sie noch öfter sehen.»
«Wir sollten allmählich einchecken», bemerkt Nadia mit einem Blick auf ihre Uhr. «Die Zeit wird knapp.»
Mr. Sexy küsst mich noch einmal, und meine Freundinnen sehen so aus, als würden sie am liebsten zustimmend gurren.
«Bis bald.» Er fährt mir zärtlich mit dem Daumen über die Wange, und ich sehe ihm nach, als er weggeht.
«Der ist ja phantastisch», sagt Chantal mit einem anerkennenden Seufzer. «Pass auf, dass du das nicht vermasselst, Lucy.»
Aber das Schlimme ist, dass ich genau das vielleicht schon getan habe.
19
Das
Schokoladen-Wellness-Hotel ist wunderbar. Es heißt Melted und liegt in einem minimalistischen weißen Gebäude am Strand von Santa Monica. Die große, gelbe kalifornische Sonne strahlt sengend heiß hinab, und der Himmel ist unglaublich blau.
Wir sitzen in Bambusliegestühlen in einem der großzügigen Behandlungszimmer und warten auf den Beginn der ersten Anwendung: eine Schokoladengesichtsmaske und anschließend Massage mit Kakao- und Passionsfruchtöl. Schon jetzt hat mich ein benebelnder Kaffee- und Vanilleduft in einen Zustand der Wonne versetzt. Die Terrassentüren stehen offen, und
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