Die schottische Braut
wie viel du trinkst?«
»Keiner weiß das, noch nicht einmal ich.«
Sin fasste Ewan am Arm, bevor sein Bruder den Krug an den Mund heben konnte. »Vielleicht solltest du ein wenig Maß halten.«
Ewan knurrte und schüttelte seine Hand ab. »Wenn du noch nicht einmal deinem eigenen Rat folgen kannst, dann versuch gar nicht erst, mir welche zu geben.«
Sin schüttelte seinen Kopf, während Ewan den ganzen Krug leerte und danach aufstand, um Nachschub zu holen. Ewan hatte geglaubt, Isobail ingen Kaid liebte ihn. Erst hatte er mit Kieran um sie gekämpft, bis zu dem Punkt, wo beide einander fast umgebracht hatten, dann hatte Ewan sich Vater und Brüdern widersetzt und war mit ihr durchgebrannt.
Bevor Ewan sie aber heiraten konnte, war sie mit einem anderen Mann fortgelaufen und hatte ihn allein in Nordengland zurückgelassen. Mit gebrochenem Herzen war Ewan heimgekehrt, nur um zu entdecken, dass seine Familie um Kieran trauerte, der sich das Leben genommen hatte am Tag, nachdem Ewan mit Isobail gegangen war.
Der doppelte Schlag hatte Ewan gebrochen.
Ewan hatte seine Chance auf das Glück vertan und war nun verbittert und allein, lebte in einer Höhle in den Bergen, wo niemand darauf achtete oder sich Sorgen machte, wie viel Ale er trank.
Manchmal war die Chance auf das Glück es nicht wert, ergriffen zu werden.
Sin starrte auf seinen Becher. Er konnte die schönen Erinnerungen in seinem Leben an den Fingern einer Hand abzählen. Glück war immer außerhalb seiner Reichweite gewesen.
Er war ein Narr, etwas anderes zu glauben.
Schweren Herzens wurde ihm klar, dass er Caledonia nicht für sich behalten durfte. Morgen würde er beginnen, nach den Rebellen zu suchen, und dann würde er sie verlassen.
Sicherlich würde der Papst ihr eine Annullierung ihrer Ehe nicht verwehren. Der Mann hasste ihn heftig genug, um liebend gerne eine Ehe aufzulösen, die nie hätte sein sollen.
Aye, er würde ihr die Freiheit geben. Es war das einzig Anständige, was einem Mann ohne Anstand zu tun übrig blieb.
Kapitel 12
A m Vormittag des nächsten Tages wurde sich Sin der unangenehmen Tatsache bewusst, dass dies das erste Mal in seinem Leben sein würde, dass er eine ihm übertragene Aufgabe nicht erfüllen konnte. Kein MacNeely wollte mit ihm sprechen. In dem Augenblick, da er sich ihnen näherte, reckten sie trotzig ihr Kinn und eilten fort.
Nicht, dass sie die Ersten wären, die ihn so behandelten. Aber wenn er die Verantwortlichen hinter den Überfällen finden wollte, dann war er darauf angewiesen, dass die MacNeely in seiner Gegenwart den Mund aufmachten.
Er saß mit seinen Brüdern und Simon in der Halle beim Essen und berichtete ihnen von den Misserfolgen des Morgens.
»Nun«, sagte Braden, »wenn du anfangen würdest, schottische Kleidung zu tragen, würde es die Sache sehr erleichtern. Es ist schwer, mit einem kühlen englischen Lord warm zu werden.«
Lochlan zuckte innerlich bei den gedankenlosen Worten seines jüngeren Bruders zusammen. Anders als Ewan und Braden kannte er den Grund für Sins Ablehnung von Schottenkleidern. Im Geiste sah er wieder seinen Vater vom Markt in Kilgarigon mit passenden Plaids für sich und seine Söhne zurückkehren.
Braden war noch ein Wickelkind gewesen, aber ihre Mutter hatte den Kleinen in eine Ecke des grünenschwarz gemusterten Stoffes gewickelt, während er selbst, Kieran und Ewan stolz ihre Plaids angelegt hatten.
»So ist es recht, meine Jungs«, hatte sein Vater stolz verkündet und ihnen voller Zuneigung die Haare gezaust.
Auch Lochlan hatte erfreut gelächelt, bis er Sin in einer Ecke stehen sah. In ihrer Aufregung hatten sie ihn ganz vergessen, und so, wie er es gewöhnlich tat, hatte sich Sin in die Schatten zurückgezogen, wo er nun stumm stand, die Arme abwehrend über der Brust verschränkt.
Nie würde Lochlan den Ausdruck auf dem Gesicht seines älteren Bruders vergessen, als er sie beobachtete. In Sins jungen Augen hatten Schmerz und Neid gestanden.
Lochlan hatte sich an ihren Vater gewandt: »Papa? Wo ist Sins Plaid?«
Der jedoch hatte die Frage ignoriert und weiter mit Ewan und Kieran gespielt.
Seine junge Mutter war nicht so freundlich gewesen. »Plaids sind nur etwas für echte Schotten, Lochlan, nicht für halbe Sassenachs.«
Und wenn er ewig leben würde, so würde er dennoch nie die Grausamkeit seiner Mutter Sin gegenüber begreifen, genauso wenig wie die völlige Nichtbeachtung durch seinen Vater.
Später an jenem Tag hatte er Sin allein in ihrem
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