Die schottische Braut
Harris.” Mit diesem Geständnis trat sie näher zu ihm. “Eine stolze, eitle Närrin. Seit ich gehen konnte, sagten alle Leute mir, welch eine Schönheit ich sei.”
Die Art, wie sie den Kopf neigte, und der Blick, der in die Ferne schweifte, zeigten Harris, dass sie ihre Erinnerungen aufsteigen ließ und aussprach. “Es war so weit gekommen, dass ich dachte, kein Mann in der ganzen Kolonie wäre gut genug für mich außer Roderick Douglas. Er sah so gut aus und war reich. Als er kam und mir den Hof machte, begrüßte ich das. Und als er um meine Hand anhielt, sagte ich Ja.”
Ihre Stimme senkte sich. “Mein Vater versuchte, mir die Heirat auszureden, aber ich habe ihm nicht mehr zugehört als Miss Lennox dir.”
Harris schüttelte den Kopf. “Warum hast du ihn nicht geheiratet?”
“Ich sagte, ich sei eine Närrin gewesen. Plötzlich erkannte ich, wer Roderick wirklich war – ein selbstsüchtiger Tyrann, der keine Mittel scheute, das zu bekommen, was er sich in den Kopf gesetzt hatte. Als ich die Hochzeit absagte, geriet er außer sich vor Zorn. Er hatte wohl entschieden, wenn er nicht das schönste Mädchen im Land haben konnte …”, sie zögerte, “… dann wollte er dafür sorgen, dass sie nicht mehr die Schönste war.”
Harris versuchte, die Benommenheit abzuschütteln. Er richtete sich auf, um ihre Hand fassen zu können. “Es tut mir leid, Morag.”
Sie erstarrte und entzog die Finger seinem schwachen Griff. “Mach dir keine Gedanken um mich, Harris. Roderick raubte mir meine Schönheit, doch nicht meinen Stolz. Ich kann Mitleid nicht ertragen, und das ist es, was jedermann nur noch für mich empfindet.”
“Vielleicht solltest du sie ihr Mitleid zeigen lassen, dann werden sie eines Tages in der Lage sein, mit dir anders umzugehen. Nach einiger Zeit werden sie vielleicht wieder die ganze Frau sehen, nicht nur die Narben. Du bist nicht mehr Morag die Schönste, doch du musst nicht Morag die Freudlose sein.”
“Was, zum Teufel, weißt du darüber, Harris Chisholm, dass du dir anmaßt, mir zu sagen, wie ich mich zu verhalten habe?” Sie sah aus, als wollte sie die von Sweeney und McBean an ihm begonnene Arbeit vollenden.
“Gib mir ein Rasiermesser und Seife.”
Sie blickte ihn verwirrt an. “Was hat das damit zu tun? Warum willst du dich in solch einem Augenblick rasieren?”
“Tue es einfach, Morag – bitte.”
Sie verschwand wortlos und ließ Harris zurück mit der Frage, ob er sie jemals wiedersehen würde. Kurze Zeit später hörte er ihre Schritte und das Plätschern von Wasser an den Rand eines Beckens.
Hinter seiner Tochter trat Alec McGregor in die Hütte. “Morag sagte mir, dass dich nach einer Rasur gelüstet, Chisholm. Sie hat Angst, du könntest dir die Kehle aufschneiden, wenn du es selbst versuchst. Ich bin es nicht gewohnt, andere zu rasieren, also halte schön still.”
Jeden Streich über das Leder und jeden Schnitt mit dem Messer nahm Harris bedauernd zur Kenntnis. Sein Bart war ihm lieb geworden und das nicht nur, weil er ihm als Schutz diente. Doch was sollte es, er konnte sich immer einen neuen wachsen lassen.
Er wischte sich den letzten Rest Seife aus dem Gesicht und rief aus: “Nun sieh mich an, Morag.”
Widerwillig tat sie es. Sie riss die Augen auf, und Harris erblickte Mitleid darin. Zum ersten Mal in seinem Leben freute er sich darüber.
Alec McGregor schaute von Harris zu seiner Tochter. “Ihr habt etwas miteinander zu bereden, wie ich merke, und ich habe ein Schwein zu schlachten.”
Nachdem ihr Vater sich entfernt hatte, setzte sich Morag neben Harris auf das Strohlager. “Von dem Moment an, als ich dich gesehen habe, habe ich gefühlt, dass du anders bist – dass du auf irgendeine Weise verstehst.”
“Ich habe nicht verstanden, Morag. Nicht, bis ich dich sah. Nichts macht mehr Sinn, als Dinge aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Die meisten Menschen sind wie ich – sie verbergen ihre Narben, sodass niemand sie bemerkt.”
Er dachte an Jenny und die Wunden aus ihrer Kindheit.
“Morag, willst du etwas für mich tun?”
“Ja, wenn ich kann.”
“Wirst du zu Jenny gehen und ihr berichten, was Roderick dir angetan hat?”
Sie erhob sich mit dem Zuber in den Händen und trat an den Eingang der Hütte. Sie schüttete das Seifenwasser aus. “Wie kannst du mich das nur fragen, Harris?” Sie hatte den Blick von ihm abgewandt. “Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe? Miss Lennox würde mir wahrscheinlich überhaupt keine
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