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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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verabschiedete mich zärtlich von ihr; sie war eine wackere Begleiterin gewesen, die immer ein offenes Ohr hatte, aber nie widersprach. Auch dankte ich ihr dafür, dass sie auf dem Rückweg nicht zu sehr geschwankt hatte, und fütterte sie mit einer Hand voll Stroh.
    In den Feldern hinter den Stallungen sah ich junge Mönche mit aufgekrempelten Ärmeln und Novizinnen mit zurückgebundenen Schleiern, die mit der Frühlingsaussaat beschäftigt waren. Frère Demien überwachte diese Arbeiten, ging von einem zum nächsten und wies sie behutsam in die besten Methoden für die einzelnen Feldfrüchte ein. Später, in der Wachstumszeit, wenn die Pflanzen bereits sprossen und erste Anzeichen ihrer späteren Fruchtfülle zeigten, würde ich ihn oft beobachten können, wie er sich über einen seiner Lieblinge beugte und ihm aufmunternd zuflüsterte, wie ein Zauberer oder Hexenmeister oder – besser noch – wie eine Mutter. Manchmal fragte ich mich, wie er später diese Pflanzen essen konnte, diese seine kleinen Kinder, die er so sorgfältig und mit solchem Genuss zur Fruchtbarkeit aufgezogen hatte.
    Was das angeht, sie essen dort kleine Kinder …
    Wie immer, wenn er im Garten weilte, war seine Stimmung heiter und gelassen, ganz im Gegensatz zu meiner eigenen, die nach meiner Reise eher düster war. Das herzliche Lächeln, mit dem er mich begrüßte, war wie Honig für einen rauen Hals, und ich fand großen Trost darin.
    Er wischte sich kleine dunkle Erdkrumen von den Händen und krempelte die Ärmel herunter. »Mutter – wir haben Euch erst in ein oder zwei Tagen erwartet«, sagte er. »Aber ich bin froh, dass Ihr zurück seid. Seine Eminenz war während Eurer Abwesenheit ziemlich reizbar.«
    Ich empfand ein wenig sündige Befriedigung darüber, dass man mich vermisst hatte, allerdings gefiel mir der Gedanke nicht, dass Jean de Malestroit irgendwelche Unannehmlichkeiten hatte ertragen müssen. »Ich bin froh, zurück zu sein«, sagte ich erschöpft.
    »Seid Ihr auf Schwierigkeiten gestoßen, die Eure frühe Rückkehr erzwungen haben?«
    »Nur eine«, sagte ich, »nämlich die, dass ich in zu kurzer Zeit zu viel Erfolg hatte. Ich sah keinen Grund, nicht sofort zurückzukehren, vor allem, da Ostern so nahe ist.«
    Ohne Erwiderung nahm er mir mein kleines Bündel, in dem ich meinen Reisebedarf mitgeführt hatte, aus der Hand und deutete zum Kloster. Arm in Arm wanderten wir langsam in diese Richtung.
    »Natürlich werdet Ihr Seiner Eminenz Eure Neuigkeiten unverzüglich mitteilen.«
    »Natürlich.«
    »Die Staatsgeschäfte scheinen im Augenblick sehr kompliziert zu sein, zumindest nach der Stimmung unseres Bischofs in den letzten Tagen zu urteilen.«
    »Ich fürchte, dann werde ich seine Sorgen wohl noch vergrößern.«
     
    Elf, berichtete ich Jean de Malestroit. Und Bernard le Camus – insgesamt also zwölf.
    »In zwei Jahren, und nur in der Gegend um Bourgneuf. Ganz zu schweigen von den Geschichten, die ich auf dem Weg dorthin hörte. Ich ritt nicht weiter, es schien mir unnötig, da ich schon von diesem einen Besuch genug vorzubringen habe.«
    Ich wartete gespannt auf seine Antwort, doch er blieb stumm.
    »Man kann es wahrlich nicht unbeachtet lassen«, beharrte ich.
    Nach einem langen Augenblick des Nachdenkens über die Angelegenheit – wie ich mir vorstellte – sagte er: »Nun, wieder einmal habt Ihr mir Grund zum Grübeln gegeben. Nicht, dass es mir an Sorgen mangelte. Sagt mir, Guillemette, Ihr habt diese Leute persönlich getroffen – erachtet Ihr deren Klagen für ernst zu nehmend?«
    Ich war sprachlos. »Nun ja, Euer Eminenz, das tue ich, und ich kann mir nicht vorstellen, warum eine Gruppe völlig unterschiedlicher Menschen sich zusammentun sollte, um solche Geschichten zu erfinden, wie ich sie gehört habe. Das würde ein gerüttelt Maß an Zusammenarbeit erfordern und viel mehr Einbildungskraft, als solche Leute überhaupt besitzen.«
    »Und was betrachtet Ihr als angemessene Reaktion auf ihre Klagen?«
    Bei allen Heiligen, was dachte er nur? Eine solche Entscheidung konnte doch nicht von jemandem wie mir getroffen werden. Der Zweck meiner Reise war das Sammeln von Berichten gewesen, um ihn zum Handeln zu zwingen. Ich hatte zwar nicht vergessen, dass er seine Zustimmung zu meinen Nachforschungen nur widerwillig gegeben hatte, doch jetzt schien Jean de Malestroit so vollständig desinteressiert zu sein, dass es mich regelrecht ärgerte. Doch ich hielt den Mund; vielleicht gab es da etwas, das ich nicht

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