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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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falschen Kandidaten fünfzehntausend ausbezahlt und mehr als zwanzigtausend für sich behalten hatte. Nein, er würde nur in aller Allgemeinheit sagen, dass die Gräfin eine gewisse Summe gespendet und er damit den erwünschten Erfolg erreicht habe. Er öffnete gerade den kleinen Mund inmitten des von schwarz wucherndem Haar bedeckten Gesichts, als Bálint die Frage mit einem harten Satz ergänzte: »Ich mache Sie darauf aufmerksam: Wenn es hinter der Sache irgendeine schmutzige Machination gibt, werde ich das Mandat nicht annehmen.«
    Oho! So nicht! Dann würde er über diese Dinge gar nichts mitteilen. Sein Verstand schaltete rasch um. Gleich fand er eine andere Darstellung. »Ich glaube, bitte sehr, dass Cseresnyés sich seinerzeit beim Komitat möglicherweise in unsaubere Geschichten verwickelt hatte und dass ihm jetzt vielleicht vom Obergespan eine Warnung zugegangen ist.« Und auf der Stelle holte er zu einer wortreichen Erzählung aus: »Am Morgen des Wahltags war jemand gekommen, die Leute sahen einen Schlitten aus der Stadt anlangen und einen Fremden, der sich zu Cseresnyés begab.« Cseresnyés, behauptete er, habe sich mit diesem Mann entfernt, nachdem er zuvor den Vorsitzenden der Wahlkommission aufgesucht hatte. Die Erzählung entwickelte sich während des Vortrags. Am Ende wusste Ázbej auch schon ganz genau, dass ein Brauner und ein Schimmel vor den Schlitten gespannt waren.
    Abády hörte all dem wortlos zu. Schließlich entließ er Ázbej. Er hatte dem Gesagten nicht vollständig Glauben geschenkt, doch da er von der Opferbereitschaft der Mutter nichts wusste, fand auch er keine andere Erklärung. Der gute Eindruck aber, den Ázbej auf ihn anfänglich gemacht hatte, nahm jetzt zum ersten Mal Schaden.
    Bei den Parlamentswahlen wurde die Liberale Partei, die das Land seit 1878 regiert hatte, in die Minderheit versetzt. Das gewaltige Ereignis, dem landesweit Bedeutung zukam, überraschte jedermann. Dies galt selbst für die Führer der Opposition, die jetzt vor der heiklen Aufgabe standen, ihre hochgemuten Versprechen einlösen zu müssen. Aufregung verbreitete sich, eine Stimmung – wie vor dem Sturm. Man wartete auf das Kräftemessen zwischen Krone und Parlament. Die Lage war so fesselnd, die Spannung so stark, dass Bálint sein Mandat behielt. Er wollte bei der Entscheidungsschlacht dabei sein; vielleicht würde er helfen und dienen können, vielleicht, irgendwo, irgendwie …

II.
    Anfang Februar, nach den Wahlen, begann in Klausenburg der Fasching. Familien mit Mädchen waren größtenteils schon in die Stadt gezogen, unter ihnen nun auch jene, die bisher noch auf ihrem Landsitz ausgeharrt hatten. Denn man musste – Politik hin oder her – der Jugend zu Begegnungen Gelegenheit geben, die Mädchen zum Tanz ausführen und die jungen Herren bewirten. Auch die Milóths zogen um diese Zeit in die Stadt um, und die Mama machte, wie das die Sitte vorschrieb, mitsamt ihren Töchtern Visiten bei allen älteren Damen. Es waren jeden Tag sieben bis acht Besuche.
    Natürlich machten sie ihre Aufwartung auch bei der verwitweten Frau Abády, die sich in der Gesellschaft zwar nirgends zeigte, aber als eine der vornehmsten Damen mit Recht erwarten durfte, dass man sie aufsuchte. Es mochte auf vier Uhr zugehen, als der Diener Frau Milóth meldete.
    Gräfin Róza saß mit ihrer Häkelarbeit auch jetzt in der Mitte des Kanapees, während Frau Tóthy und Frau Baczó ihr gegenüber auf den hohen Stühlen thronten. Bálint hatte sich erst kurz zuvor entfernt: Einer der Vizeförster sei da, dem er seine Anordnungen für den Ausflug ins Hochgebirge mitteilen wolle, denn er hatte beschlossen, in zwei Tagen nach Béles hinaufzufahren. Die Kaffeetasse stand noch vor seinem leeren Lehnstuhl.
    »Ich lasse Frau Gräfin Milóth bitten«, sagte Frau Abády. Frau Tóthy und Frau Baczó verzogen sich wortlos durch die innere Türe, während der Diener das Kaffeeservice hinaustrug. Nun rauschte Mama Milóth mit Judith und Margit ins Zimmer hinein. Nach einem symbolischen Kuss und nach Handküssen, die von einem Knicks begleitet wurden, setzten sie sich zeremoniell der Hausherrin gegenüber – in der Mitte die Mutter, von den Töchtern umgeben, und nun begann die Konversation über die Aussichten beim Fasching, wie viele Debütantinnen und Bälle es dieses Jahr geben wird und wie viele Tänzer. Auch die im Jahr herrschende Mode kam zur Sprache: Ob man Boa oder Tücher tragen wird und ob sich für ein junges Mädchen Tüll oder

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