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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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mehr ein. Es gab kein Licht, aber auch keinen Schatten. Dunkle Tannen in strenger Würde säumten beiderseits den Weg. Ihre Äste bogen sich tief unter der Schneelast, die äußersten Triebe ertranken schon im Schnee. Eröffnete sich rechts oder links die Sicht auf einen Abhang, dann nahm man die aberhundert pfeilgeraden Linien von Stämmen wahr, die violett emporragten und sich wie Orgelpfeifen aneinanderreihten; als blicktest du in eine Märchenwelt, nach deren Geheimnissen zu forschen beinahe schon ein Sakrileg ist. Und eine unendliche Stille. Dann ein Hämmern, das aus weiter Ferne ertönte. Als hernach eine Wegkurve die Sicht auf den hier steilen Abhang freigab, erblickten sie, kaum fünfzig Meter entfernt, zwei Holzfäller, die mit ihren Schlägen den Stamm einer schlanken Tanne bearbeiteten. Holzdiebe, offensichtlich, denn kaum hatten sie die anderen erblickt, da rissen – fort, nur fort! – beide aus und rannten talwärts den Steilhang hinunter. Crișan setzte ihnen natürlich nach. Als ob er Skier an den Füßen hätte, so glitt er auf den Bundschuhabsätzen im Schnee und benutzte dabei den Stiel seiner Axt als Steuer. Doch so schnell er auch war, die beiden überboten ihn auf verblüffende Weise; keine halbe Minute verging, und schon waren sie in der Tiefe verschwunden. Crișan blieb bei dem gefällten Baum stehen. Er schickte den Dieben schreckliche Verwünschungen nach und kam erst herbei, als Abády ihn zurückrief. Doch selbst auf dem weiteren Weg, als er hinter ihm herschritt, murrte er noch lange, denn es war gut, wenn der große Herr bemerkte, wie sehr ihn ein solcher Vorfall empörte.
    Sie folgten dem Grat noch eine gute halbe Stunde. Der Abend begann bereits hereinzubrechen. Zuletzt stießen sie auf Fußabdrücke, welche die unberührte Schneedecke auf der linken Seite unterbrachen. »Hier müssen wir weiter«, sagte Mézes, »die anderen haben das Nachtlager hier erstellt.«
    Sie machten sich seitwärts auf den Weg, einen Steilhang hinunter. Der Wald war an dieser Stelle noch dicht; wo sich hier eine Lagerstätte befinden sollte, ließ sich keineswegs erkennen. Dabei lag sie ganz nahe, kaum dreißig Schritte entfernt, Bálint nahm sie aber erst wahr, als er unmittelbar davorstand. Wer mit dem Wald nun einmal nicht vertraut ist, kennt sich unter der Unzahl von umgestürzten Bäumen, zerbrochenen Ästen, neuen Trieben und dicht stehenden Stämmen nicht leicht aus.
    Es war ein geschickt ausgeführter Bau. Eine niedrige Felswand umfing ihn auf drei Seiten; sein schräges Dach ruhte auf einer dreiarmigen Säule, es ließ den Eingang vorne offen, hinten stützte es sich auf den Fuß des Felsens. Eine dicke Schicht von Tannenzweigen bedeckte die Stätte. Drinnen hatte man den Schnee weggeschaufelt und ebenfalls aus Tannenzweigen ein Bett errichtet, die Äste klug umschnürt, damit sie nicht verrutschten und auf Wanderschaft gingen; man brauchte nur noch eine Decke darüber auszubreiten und durfte sich niederlegen. Die Männer waren gerade dabei, entlang der ganzen Länge der Hütte Brennholz aufzuschichten. Die längeren Äste, vertrocknetes Tannenreis, das die Flammen leichter erfassen, legten sie gesondert hin. Andere schleppten dickeres Holz herbei, denn in der mörderischen Kälte musste das Feuer die ganze Nacht unterhalten werden.
    Sie entluden die Pferde. Man schaffte das ganze Gepäck in die Hütte, unter Dach, und sie waren mit der Arbeit noch gar nicht zu Ende, als das Feuer unter den Händen Schukuzos bereits aufflammte. Er war ein richtiger Mann vom Walde, keiner verstand es besser, vorerst winzige Äste zu schnitzen, dann aus harziger Rinde dünne Späne zu schneiden, die Babyflamme zu ernähren, bis sie langsam heranwächst, sie ermunternd durch den ganzen Holzhaufen zu führen, damit sie ihn überall und gleichmäßig erfasst, und die Scheite manchmal zu beklopfen, damit sich die Flammen durch die verbreiterten Ritzen hindurchfressen. Keine zehn Minuten vergingen, und ein hoch loderndes Lagerfeuer knisterte vor der ganzen Länge des Halbdachs. Schukuzo war es auch, der den Platz gewählt hatte. Dank seiner Vergangenheit als Wilderer kannte er in der Waldung jeden Winkel aufs beste. Die kleine Felswand aus Glimmerschiefer schützte vor dem Wind; gut schmeckendes Wasser quoll in der Nähe zwischen seinen Steinplatten, was besonders wichtig war, denn die Leute im Hochgebirge gelten in dieser Hinsicht als äußerst heikel. Dunkelheit brach ein.
    Sie aßen ihr Nachtmahl. Bandi Mézes Zutor

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